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Die Erdfresserin

Die Erdfresserin

Titel: Die Erdfresserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julya Rabinowich
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meinem Rücken, in meiner Brust, seitwärts hineingebohrt, Atem im Nacken. Ich bin froh, Stöckelschuhe zu tragen, ich bin sehr klein, ich könnte sonst nichts als Achselhöhlen sehen.
    Wir passieren ein Antiquitätengeschäft, dann ein geschlossenes Kaffeehaus, eine Galerie. Die Lichter sind abgedreht, auf der Auslage klebt ein großer gelber Zettel, auf dem ich, meinen Kopf verdrehend, lesen kann:
    »Heute habsburgbedingt geschlossen«, während ich überlege, was dieses seltsame Wort bedeuten könnte, fällt es mir wieder ein, die Ankündigungen im Radio, zwischen den Chören und den Predigten, die ich nicht verstehe, ein Begräbnis stehe an, der letzte Kaiser sei gestorben, ich bin nicht sicher, ob ich alles auch wirklich verstanden habe, es klingt absurd. Seltsam, Österreich ist doch keine Monarchie, denke ich.
    Der letzte Kaiser klingt so realistisch wie Kaiserin von China. Ich versuche mich an die Sendung zu erinnern, Otto von Habsburg, genau, das war sein Name. Was für ein Trara für einen, der doch kein Kaiser ist, nur sein Sohn.
    Mir fällt ein, dass Leo, der eher mehr der Esoterik als dem Monarchismus zugeneigt ist, mir am Anfang, bald nachdem ich eingezogen war, von der Kaisergruft erzählt hat, und dass dort, in kunstvollen goldenen Töpfen die Herzen der Habsburger einmariniert lagen wie Heringe in Salzlake, mit Gottesstrahlen dran und Engeln und allem, was für die Ewigkeit üblicherweise so dazugehört, und dass er sich das ansehen wolle. Dabei bekam seine Stimme einen Unterton, der mir nicht gefiel, und ich sagte ihm noch, er solle sich um seine Innereien kümmern und nicht um die der Habsburger, das stünde ihm und seiner Gesundheit besser zu Gesicht.
    Wir warten also hier alle auf Otto, hauptberuflich Kaisersohn. Der letzte der Wiener Dinosaurier, und wie ein Präparationsobjekt werden sie auch ihn ausweiden und auseinandernehmen und auf verschiedene Institutionen verschiedener Städte aufteilen, ich glaube, dass die Nieren in Wien bleiben dürfen. Wo Leos Nieren enden werden, weiß ich nicht, nicht, in welchem Spital, nicht, in welcher Erde welchen Friedhofes.
    Habsburgbedingt stecke ich nun in einer kleinen Gasse fest, zwischen Begräbnistouristen und Monarchisten, zwischen zitternden, weinenden, zarten alten Frauen, adrett in Staubmäntel gekleidet, in beigefarbenen Strümpfen und beigefarbenen teuren Schuhen, die haben ihm wohl noch mit rosigen Wangen und enggeschnürten Taillen bei Paraden zugeseufzt, und eine jede wünschte sich, sich wenigstens kurzfristig die Monarchie einverleiben zu dürfen, als Prinzessin über Nacht.
    Ich stecke fest zwischen Spaniern und Japanern und alten Wiener Mädeln, wir schwitzen und weinen ineinander hinein, hier ist der einzig wahre Schmelztiegel, nicht in New York.
    Die Gasse endet in der bereits von mir von weitem erspähten Absperrung, der Menschenstrom wird mich zu diesem Gitter spülen, mich dagegendrücken, direkt in die Arme der beiden Beamten hinein, und so draufgängerisch fühle ich mich nun doch nicht. Ich muss irgendwie von diesem vorgezeichneten Weg abweichen, in die Seitenbereiche, zurück zur nächsten Abzweigung.
    Ich ramme meine Füße entschieden in den Boden, um dem Schub der Menschenmassen zu widerstehen, und sie schleifen mich erneut weiter, ich versuche, die Leute hinter mir zu treten, kann aber nicht weit genug ausholen, ich fahre meine Ellbogen aus und bin bereit, diese auch einzusetzen, sie drehen sich nach mir um, sie murmeln, sie schauen irritiert. Aber sie bleiben nicht stehen.
    Das Gitter ist nun ganz nahe, ich kann die gelangweilten Gesichter der Polizisten erkennen, zwinge mich, ruhig nach vorne zu blicken, neugierig, genauso wie all die anderen, ich verdränge die Bilder von Leos Leib, der hilflos in seinem Bett verrottet, weil ich das Telefonkabel zuvor aus der Wand gerissen habe und sein Mobiltelefon in der Küche liegt, in einer Schublade, von der er nichts weiß. Dieses Bild, denke ich, hat das Bild meines Sohnes abgelöst, das üblicherweise auftaucht, wenn meine Reise gefährdet scheint, die Last, für zwei Personen verantwortlich zu sein, duldet nicht viele Bilder.
    Mein Blick will zurückgezwungen werden, aus dem Inneren ins Äußere, und ich suche Oberflächen, an denen er hängenbleiben könnte, Federn, glänzende schwarze Federn, Samt. Ich kneife die Augen zu. Gelber schwerer Samt mit schwarzem Muster darauf, ausgebreitet über dem Sarg, hängt auch an Fahnenstangen herab, die in würdevoller Langsamkeit an uns

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