Die Erfinder des guten Geschmacks
Geschmack. Heute kommt es auf die ausgezeichnete Wahl des Fleisches an, von dem jedes Stück separat serviert wird, auf die Feinheit der Würzung, die Höflichkeit.« Zur »Kunst, gut zu empfangen« gehörte das Ambiente. Damals herrschte der Service à la française : Alle Speisen wurden gleichzeitig serviert.
Genau wie Nicolas de Bonnefons und François Pierre de La Varenne rühmt LSR den »wahren Geschmack der Zutaten«. Unnötig komplizierte Gerichte und Fantasienamen waren ihm ein Greuel, Gerichte mussten harmonisch komponiert werden. LSR beschreibt, wie er Mandeln aus dem Mörser mit Bouillon vermischt (»Liaison«) und geht ausführlich auf die Garmethoden ein. Der »wahre Geschmack« beschäftigte inzwischen den Königshof nicht nur bei Tisch. Einem Spezialisten wurde die Aufgabe anvertraut, fortan den französischen Monarchen mit tadellosen Frischwaren zu versorgen.
Im Gemüsegarten des Königs
Die 1670er-Jahre bereiteten König Ludwig XIV. einige Sorgen: Die Bauarbeiten am Schloss von Versailles schritten viel zu langsam voran, der Feldzug gegen die Holländer machte Kopfzerbrechen, die ungeliebte Hauptstadt Paris war ein stinkendes Nest mit schmutzigen Gassen, dessen Einwohner ihre Toten einfach auf den Straßen und Plätzen verscharrten. Sein Prachtschloss wurde erst vollendet, als der Sonnenkönig schon 72 Lenze zählte. Doch der Nachschub an frischem Obst und Gemüse – inzwischen war es ja in Kochbüchern in Mode geraten – wurde schon 1678 gesichert, als der Sonnenkönig seinem »Chefgärtner« Jean-Baptiste de La Quintinye befahl, einen Gemüsegarten zum Wohle der königlichen Papillen zu errichten. Letzterer hatte in Südfrankreich und Italien die Kunst des Gartenbaus erlernt und war von den floralen Kreationen der dortigen Meister so angetan, dass er prompt seinen Erstberuf, die Juristerei, an den Nagel hängte. Übrigens stand auch La Quintinye 1661 in den Diensten von Fouquet. Er könnte Vatels Weg gekreuzt haben, zumal er später kurz im Château von Chantilly arbeitete.
Ein sumpfiges Stück Land unweit des Schlosses verwandelte er in einen Garten mit Obst, Gemüse und Kräutern nach Art des klassischen jardin à la française : Äpfel, Kräuter und Spargel wuchsen dort, sorgfältig eingeordnet in zwölf Vierecke, rund um einen Springbrunnen. Jeder einzelne Baum und Strauch, jedes einzelne Kraut wurden in streng geometrische Reihenformationen gezwungen, die Architektur des Jardins befahl, dass sie parallel zu den Linien der umliegenden Gebäude verlaufen mussten. Und weil sich einem König auch die Natur unterwerfen muss, wurden unter La Quintinyes Händen sogar Birnbäume zu kunstvoll geschnittenen Hecken. Feigen und Melonen wuchsen in einemGewächshaus. Doch der Garten war nicht nur ästhetisch: Apfel-, Feigen- und Pflaumenbäume wurden so gepflanzt, dass weder Hitze noch Winde ihnen schaden konnten. La Quintinye kannte das Frühgemüse: Spargel, Erdbeeren und Pilze tauchten immer schon einige Wochen vor ihrer Zeit auf der königlichen Tafel auf.
Nach fünf Jahren harter Arbeit war der Sonnenkönig mehr als zufrieden: Nicht selten spazierte der Herrscher höchstselbst in seinen Mußestunden durch den Garten, es heißt sogar, er habe manchmal zusammen mit La Quintinye einige Obstbäume beschnitten. Als Zeichen seiner Dankbarkeit erhob der Monarch seinen Gärtnersmann 1687 in den Adelsstand. Lange konnte sich La Quintinye freilich nicht an den neu gewonnenen Privilegien erfreuen: Am 11. November 1688 verstarb er. Ludwig XIV. selbst soll seiner Witwe kondoliert haben: »Madame, dies ist ein unwiederbringlicher Verlust.«
Den Gemüsegarten des Königs können heute übrigens sogar Bürgerliche besuchen. Über die Jahrhunderte ließen ganze Gärtnerdynastien seine Architektur unverändert und wechselten lediglich einmal alle 90 Jahre die Obstbäume aus. Ludwigs Garten dient heute als Gärtnerschule.
Doch selbst am königlichen Hof konnte trotz Frühgemüse Langeweile aufkommen. Auch erstklassige Hofköche hatten nur ein begrenztes Repertoire. Für Abwechslung sorgten die »Wanderköche«: Profis der kulinarischen Unterhaltung wie Massialot.
Der Herr der 30 Grillspieße
Welcher Aufwand zu Zeiten der Renaissance in den Küchen getrieben wurde, verrät François Massialot (1660-1733) in seinenBüchern Nouveau Cuisinier royal et bourgeois (1691), Nouvelle Instruction pour les confitures, les liqueurs et les fruits (1692) und Le Cuisinier roïal et bourgeois (1705), ein Werk, das der
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