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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
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Soubise, galt als Freund des Königs und Protegé von Madame Pompadour. Je nach Quelle hätte er auch Küchenchef von Madame sein können.
    Er, Marin, tat jedenfalls nichts Geringeres, als eine »neue Küche« zu erfinden. Marin trägt ordentlich dick auf. Küche, das war für ihn Kunst und Wissenschaft zugleich. Passend dazu verfassten zwei Jesuitenbrüder das Vorwort zu seinem wortgewaltigen Werk namens Les Dons de Comus, ou les Délices de la table (1739). Gelehrte Menschen also, die den Anspruch auf wissenschaftliches Vorgehen hervorhoben.
    »Die Italiener haben ganz Europa zivilisiert und sie sind es, da gibt es keinen Widerspruch, die uns gelehrt haben, zu kochen«, erklärt Marin und kommt dann schon im Vorwort zum Punkt. Eine kurze Verneigung an die Altvorderen, dann geht es zur Sache. Denn nun würde man die alte und die neue Küche unterscheiden. »Die alte Küche ist die, welche die Franzosen in ganz Europa in Mode gebracht haben und der man vor nicht einmal 20 Jahren folgte. Die neue Küche ist auf den Fundamenten der alten gebaut, mit weniger Verlegenheiten, weniger Umständen, doch mit ebensolcher Vielfalt; sie ist einfacher, sauberer und vielleicht wissenschaftlicher . «
    Marin plädiert für eine leichter verdauliche Küche ohne überflüssige Zutaten, »um ihnen das Bündnis zu geben, das Maler mit Farben schaffen und […] damit aus ihren verschiedenen Aromen nur ein feiner und pikanter Geschmack resultiert und eine Harmonie aller Geschmäcker untereinander entsteht.«
    So richtig neu war das freilich nicht, François Pierre de LaVarenne und Nicolas de Bonnefons hatten sich ja mehr als 80 Jahre zuvor in eine ähnliche Richtung geäußert. Doch Marin drückt sich zackiger aus, und leistet zur Untermauerung seiner Argumente eine kolossale Fleißarbeit: Er erklärt die essbaren Teile der wichtigsten Grundzutaten wie Filets, Keulen oder Brust. Außerdem stellt er Hunderte von Variationen um wichtige Grundprodukte der französischen Küche vor.
    R EZEPT VON F RANÇOIS M ARIN

    Hecht serviert man in

    Court-Bouillon, ganz und frittiert, glaciert, als Matrosentopf nach deutscher Art, am Spieß, mit gegrilltem Speck und Anchovis, gefüllt nach Holländer Art, à la Civita Vechia, in einer Kasserolle, als Pastete, als Tourte, mit Bohnen, mit Sauce Robert, mit Béchamel, mit Anchovis, mit Austern und in vielen anderen Formen, nach Geschmack des Meisters und Fähigkeiten des Offiziers [des Kochs].
    Erst danach folgen die Rezepte wie
    R EZEPT VON F RANÇOIS M ARIN

    Austernsauce

    Man nehme sehr frische Austern, wenn sie geöffnet sind, gebe man sie mit ihrem Wasser in eine Kasserolle oder man lege die Austern beiseite und passieredas Wasser, weil sich dort immer Sand findet. Pilze, Schalotten, Petersilie und eine Trüffel mit Öl in eine Pfanne geben. Wenn das Ganze halb gar ist, rühren und mit einem Glas Quintessenz, einem Kalbsfond und dem Austernwasser anfeuchten. Köcheln lassen und gut entfetten; bevor Sie das Wasser Ihrer Austern nutzen, muss es zum Blanchieren derselben gedient haben, die Schale entfernen, gut abtropfen lassen und wenn sie gut gereinigt sind, in eine Kasserolle geben, passieren Sie Ihre Sauce durch ein Tuch und geben Sie zum Schluss ein Stück Butter gemischt mit Petersilie, Pfefferkörnern und Zitronensaft hinzu.
    Wie die weitaus meisten Kochbuchautoren seiner Zeit wendet sich Marins Werk an Profis, die mit Saucen und Grundzubereitungen vertraut sind. Er verzichtet auf genaue Mengenangaben.
    R EZEPT VON F RANÇOIS M ARIN

    Sauce nach deutscher Art (à l’Allemande)

    Hacken Sie Pilze, Petersilie, Schnittlauch, Schalotten, das Ganze richtig fein, schneiden Sie schöne Scheiben von Zwiebeln, die Sie mit dem Rest zu etwas Butter geben […] feuchten Sie mit Wein und guter Bouillon an; reiben Sie am Schluss ein wenig Parmesankäse, fügen Sie etwas Essig hinzu und ein wenig Paniermehl.
    Doch das Neue ist immer das Alte von morgen. Im Jahr 1739 jedenfalls servierte gleich noch ein weiterer Koch namens Menon dem staunenden Publikum seine Nouvelle Cuisine.
    Der Name Menon war höchstwahrscheinlich ein Pseudonym.Nichts ist über das Leben dieses Autors bekannt, kein Adliger scheint ihn beschäftigt zu haben.
    Doch Menon, wer immer er war, schrieb viel und präzise. Seine Bücher, wie der Nouveau Traité de la Cuisine ( 1739 ), vermitteln ein genaues Bild der Küche im 18. Jahrhundert, das mit den Schilderungen seines Zeitgenossen Marin ganz und gar nicht übereinstimmt. Während Marin die

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