Die Erfinder des guten Geschmacks
wert.
Der Tag, als der Fisch nicht kam
Vatel hieß eigentlich Watel, sein Vorname war je nach Quelle François oder gar Fritz, ebenfalls je nach Quelle war er mal Schweizer, mal Flame. Koch war er auch nicht, sondern Maître d’Hôtel. Damals stand die Bezeichnung nicht für einen Oberkellner. Vatel übte einen Beruf aus, den man vielleicht mit Hofzeremonienmeister bezeichnen könnte. Ihm unterstanden nicht nur das Küchenpersonal und der Einkauf, sondern er war auch verantwortlich für den Speiseplan und den Ablauf rauschender Feste.
Bartolomeo Scappi (1500-1577) ist der Verfasser der Rezeptsammlung Opera dell’ arte del cucinare.
Er arbeitete stärker als seine Vorgänger mit Schalentieren und Innereien – und kannte die Schlagsahne.
Die Schlagsahne, auf Französisch Crème Chantilly genannt, soll Vatel erfunden haben, um seine hochrangigen Gäste zu beeindrucken. Das ist wohl nicht ganz richtig, aber hübsch erfunden. Bereits ein gutes Jahrhundert vor Vatel berichtetenCristoforo di Messisbugo 1549 oder Bartolomeo Scappi 1570 von dem Rezept. Neve di latte , »Schneemilch«, nannte Scappi seine Schlagsahne. Auch Lancelot de Casteau kannte das Rezept.
Weltbekannt wurde Vatel dank zweier Festmähler: Das erste symbolisiert seinen Aufstieg, das zweite seinen Fall. Im Auftrag von Nicolas Fouquet, »Intendant der Finanzen«, organisierte er am 17. August 1661 den Empfang für den Sonnenkönig Ludwig XIV. im Schloss von Vaux-le-Vicomte. Der »Intendant«, eine Art Minister, bangte um seine Stellung und wollte sich beim jungen König ein wenig einschmeicheln. Vatel leistete ganze Arbeit und es regnete Komplimente: Der König sei erstaunt gewesen, hieß es, und das Schloss könne nie wieder so schön sein wie anlässlich dieser Soiree.
Ja, Ludwig XIV. war beeindruckt. Eifersüchtig war er außerdem, schließlich hatte der Minister es gewagt, seine Sonne ein wenig zu überstrahlen. Vierzehn Tage später wurde der Intendant jedenfalls festgenommen. Auch sein Netzwerk, nicht weniger als 60 ihm nahestehende Personen, wanderte in Haft. Vatel ging nach England ins Exil, wo sich seine Spur verliert.
Erst im Jahr 1665 war der Hofzeremonienmeister wieder in Frankreich und stand sogar in Diensten des Bruders Ludwigs XIV. Erstaunlich ist das nicht: Fouquet starb in der Gefangenschaft, doch viele seiner Gefolgsleute dienten später treu dem König. Und ein Zeremonienmeister gehörte ohnehin zum Hauspersonal, das keinen Platz in politischen Scharaden hatte.
Zwei Jahre später arbeitete Vatel für den Prinzen von Condé. Wieder sollte er ein Festmahl für den König ausrichten. Und wieder war das Arbeitsumfeld schwierig.
Im April 1671 lagen die besten Tage hinter dem Prinzen. Er war ein alternder Adliger, stolz, doch von der Last der Schulden gebeugt, danach strebend, endlich wieder in der Gunst Ludwigs XIV. aufzusteigen, vielleicht sogar einen Feldzug gegen die Holländer zu führen. Vatel fiel die Aufgabe zu, im Château de Chantilly den gesamten Hof von Versailles in einem drei Tageund drei Nächte dauernden Bankett zu bewirten. Da waren mehr als Küchenkünste gefragt, Vatel musste neben dem Diner den richtigen Rahmen, die spectacles , organisieren.
Am ersten Tag lief alles glänzend. Der zweite Festtag jedoch war ein Freitag, ein Fastentag. Auch für einen König war es undenkbar, an einem solchen Tag in aller Öffentlichkeit Fleisch zu verzehren. Kurz: Kam der Fisch nicht, hatte Vatel ein Riesenproblem.
Madame de Sévigné, bekannt durch ihre umfangreiche Briefkorrespondenz, berichtete: »Als Vatel um acht Uhr morgens sah, dass der Fisch nicht eingetroffen war, konnte er den kommenden Affront nicht ertragen und, in einem Wort, erdolchte sich.« Anschließend traf die sehnlich erwartete Fischlieferung ein und das Fest ging weiter, als wäre nichts geschehen.
Berufsrisiko eines Zeremonienmeisters
Reynald Abad von der Pariser Sorbonne nahm den Fall zum Anlass, sich in der Revue du 17ème siècle (2002) intensiv mit der Fischversorgung zu Vatels Zeit zu befassen: Im 17. Jahrhundert kümmerte sich ein ganzer Berufsstand um die tägliche Versorgung der Adelspaläste. Man nannte sie pourvoyeurs , wörtlich übersetzt »Lieferanten«, aber sie waren weit mehr.
Als Einkäufer auf dem Pariser Markt ersteigerten sie große Mengen Nahrungsmittel. Oft kannten die pourvoyeurs die Händler nicht einmal persönlich. Mit den Fischhändlern in den Hafenstädten korrespondierten sie per Boten.
Vor einem Notar verpflichteten sie
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