Die Erfinder Des Todes
Arbeit hinter mich bringen. Je früher ich fertig werde, desto früher kann ich nach Hause zurückkehren. Außerdem bin ich sicher, dass Ihre Familie Sie auch mal gern sehen würde.«
Er lachte kurz auf. »Davon bin ich überzeugt. Aber wie Sie werde ich heute Abend leider arbeiten.«
»Wenigstens habe ich Kit bei mir zum Abendessen. Er schafft es irgendwie, mich zum Lachen zu bringen, sogar mitten in einer so gruseligen Sache wie dieser. Und machen wir uns doch nichts vor, Major, in diesem Beruf gibt es nicht viel zu lachen.«
Er nickte ernst. »Ich weiß, was Sie meinen. Manchmal habe ich das Gefühl, der Dreck der Gosse klebt an mir, wenn ich nach Haus gehe. Kaum wage ich noch, meine Kinder hochzuheben und in den Arm zu nehmen, damit ich sie nicht mit dem anstecke, was ich gesehen habe und was ich weiß.« Er beugte sich zur Seite, um die Tür für Fiona zu öffnen. »Machen Sie's gut, Frau Doktor Cameron.«
Sie nickte. »Sie auch, Major.«
Als Fiona die Tür öffnete, war ihre erste Reaktion Verwirrung.
Das einzige Licht im Raum kam von der entfernten Stadtansicht Toledos, wie eine Theaterkulisse von einem Dutzend Scheinwerfern angestrahlt. Gegen das Licht hob sich Kits Gestalt auf dem Fußende des Betts ab, die Ellbogen auf den Knien, den Kopf gesenkt. »Kit?«, sagte sie leise und schloss die Tür hinter sich. Etwas stimmte nicht, das war ihr klar, auch wenn sie nicht wusste, was. Sie ging mit schnellen Schritten zu ihm und legte Aktentasche, Laptop und Mantel unterwegs ab. Als sie sich neben ihn setzte, hob Kit den Kopf und blickte sie an. »Was ist denn los, Liebling?«, fragte sie, Sorge und Angst in ihrer Stimme. Sie legte ihm einen Arm um die Schultern, und er lehnte sich an sie.
»Drew Shand ist ermordet worden«, sagte er mit bebender Stimme. »Der Typ, der Copycat geschrieben hat?«
»Laut BBC World hat man seine Leiche heute früh in der Nähe der Royal Mile gefunden.« Kit klang benommen.
»So hast du es also erfahren, aus dem Fernsehen?«, sagte sie und war bei dem Gedanken bestürzt.
»Ja, ich wollte die Nachrichten sehen.« Sein trockenes Lachen klang bekümmert. »Man rechnet doch nicht mit der Nachricht, dass ein Kumpel ermordet und verstümmelt worden ist.«
»Das ist ja schrecklich«, sagte Fiona in dem Bewusstsein, wie ungenügend diese Worte waren. Sie begriff nur allzu gut, welchen Schock und Schmerz eine solche Entdeckung auslöste.
Wenngleich in ihrem Fall damals das Telefon der schreckliche Bote gewesen war.
»Ja, und ich sag dir auch, was noch schlimmer ist. Weil er ausging und selbstbewusst war und sich in Bars aufhielt, deren Gäste die Art von sexuellen Gepflogenheiten haben, die dem Durchschnittsbürger von Edinburgh abstoßend erscheinen, wird er schon als der Urheber seines eigenen Unglücks gesehen. Man macht sich bereit, dem Opfer selbst alles anzulasten. Es gibt ja nichts, was den braven Bürgern so wirksam zum ruhigen Schlaf verhilft, als die Gewissheit, dass ihnen eine solche Katastrophe nicht passieren kann.« Er klang zornig, aber Fiona erkannte seine Wut als Abwehr gegen den Schmerz.
»Es tut mir Leid, Kit«, sagte sie, hielt ihn fest und ließ ihn sich an sie drücken.
»Ich habe noch nie jemanden gekannt, der ermordet wurde. Ich weiß, wir haben über Lesley gesprochen, und ich dachte, ich könnte verstehen, welche Gefühle du wegen ihres Schicksals hast, aber jetzt wird mir klar, dass ich keine Ahnung hatte. Und ich kannte ja Drew nicht einmal besonders gut. Aber ich begreife nicht, dass ihn jemand umbringen wollte. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wieso.«
Fiona hatte Drew Shand nie kennen gelernt, aber sie wusste zu viel über Mord und seine Folgen, um nicht den Horror zu spüren, der hinter der nackten Tatsache lag, dass er tot war. Sie wusste nur allzu gut, was Mord für die bedeutet, die zurückbleiben. Dieses Wissen hatte sie geprägt.
Kit hatte sie mit dem Schlüsselwort konfrontiert. Wenn sie die Augen schloss, brach alles wieder wie eine Flut über sie herein.
Es war ein Freitagabend wie jeder andere auch gewesen in ihrem ersten Jahr als Dozentin an der Universität. Sie hatte sich angewöhnt, sich am Wochenende mit den Klinikangestellten des Instituts, an dem sie einen Forschungsauftrag hatte, zu entspannen. Sie fingen bei einem Pub in Bloomsbury an, kehrten auf ihrem Weg zur Euston Station in verschiedenen Pubs ein und landeten schließlich in einem Currylokal in einer Seitenstraße am unteren Ende der Euston Road. Als sie in ihre
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