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Die Erfinder Des Todes

Die Erfinder Des Todes

Titel: Die Erfinder Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Zweizimmerwohnung in Camden zurückkam, war es fast Mitternacht, und die Nervosität der Woche hatte einer angenehmen Benommenheit Platz gemacht.
    Das Licht an ihrem Anrufbeantworter blinkte wie verrückt, er hatte ein halbes Dutzend Nachrichten anzuzeigen oder mehr.
    Neugierig drückte sie auf die Wiedergabetaste und ging dabei weiter zur Kochnische. Die ersten Worte auf dem Band ließen sie innehalten. »Fiona? Hier ist Dad. Ruf mich an, sobald du nach Hause kommst.« Dass sie aufhorchte, lag nicht an den Worten, sondern am Tonfall. Die Stimme ihres Vaters, die sonst stark und selbstbewusst klang, war fast nur noch ein Flüstern, ein schwaches, zitterndes Echo ihres normalen Klangs.
    Ein Piepston, dann die nächste Nachricht. »Fiona, noch mal Dad. Es ist egal, wie spät es ist, wenn du die Nachricht bekommst, musst du anrufen.« Diesmal versagte die Stimme gegen Ende. Sie war schon dabei, sich umzudrehen und zum Telefon zu gehen. Ein Piepston, dann wieder die Stimme ihres Vaters. »Fiona, ich muss mit dir sprechen. Es kann nicht warten bis morgen früh.« Ihr Instinkt sagte ihr, es müsse eine schlechte Nachricht sein. Eine der schlimmsten Sorte. Es musste um ihre Mutter gehen. Ein Herzschlag? Ein Schlaganfall? Ein Autounfall?
    Fiona griff nach dem Hörer und wählte die vertraute Nummer.
    Fast bevor es geklingelt hatte, wurde abgenommen. Eine fremde Stimme sagte: »Hallo? Wer spricht?«

    »Hier ist Fiona Cameron. Wer sind Sie?«
    »Einen Augenblick, bitte. Ich hole Ihren Vater.« Gedämpfte Gesprächsfetzen, ein Klappern, dann die Stimme ihres Vaters, fast so fremd wie die des Unbekannten.
    »Fiona«, brach es aus ihm heraus, dann fing er an zu schluchzen. »Dad, was ist los? Ist es wegen Mum? Was ist denn passiert?« Fionas professionelle Fähigkeit zu beruhigen versagte angesichts der Tränen ihres Vaters.
    »Nein, nein. Es ist wegen Lesley. Sie ist ... Lesley ist ...« Er zwang sich, Luft zu holen. Sie hörte einen tiefen, hastigen Atemzug, dann sagte er: »Lesley ist tot.«
    Fiona wusste nicht, was er als Nächstes gesagt hatte. Sie fühlte, wie sich zwischen ihr und ihrer Umgebung ein Abgrund auftat, seine Stimme war nur ein weit entferntes Echo, das von dem Rauschen in ihren Ohren übertönt wurde. Ihre kleine Schwester war tot. Das war nicht möglich. Es musste ein Irrtum sein.
    Aber es war keiner. Lesley, die im sechsten Semester an der St.
    Andrews University studierte, war auf dem Heimweg zu ihrer WG vergewaltigt und erdrosselt worden. Man hatte die Tat niemandem zur Last legen können. Die Polizei glaubte, dass der Mörder in den achtzehn Monaten davor zwei andere Studentinnen vergewaltigt hatte, aber sie hatten keine klaren Hinweise. Zwei Abdrücke von einem Paar Turnschuhe einer bekannten Marke. Eine Beschreibung, die so ungenau war, dass sie auf die Hälfte der männlichen Bevölkerung der Stadt gepasst hätte. Auch wenn man damals schon mit der DNS-Analyse hätte arbeiten können, hätte es nicht viel gebracht. Er hatte ein Kondom benutzt. Alle Überfälle hatten im Winter stattgefunden, und die Frauen hatten Handschuhe getragen, so dass sie ihren Angreifer nicht gekratzt hatten.
    Sechs Monate nach Lesleys Tod lief Fiona herum, als bewege sie sich in einem Alptraum. Als könne sie sich jeden Augenblick zum Aufwachen zwingen, und alles wäre ungeschehen. Lesley würde am Leben sein. Ihre Mutter würde nicht von Depressionen und Selbstmordgedanken gequält. Ihr Vater würde nicht zu viel trinken und endlose Briefe an seinen Abgeordneten, die Presse und die Polizei schreiben und sich darüber beklagen, dass niemand verhaftet werden konnte. Und sie würde sich keine Vorwürfe machen, dass sie Lesley zur Selbstständigkeit ermutigt hatte, an St. Andrews zu studieren, wo sie doch zu Fiona nach London hätte kommen können.
    Dann war sie eines Tages zu dem Vortrag eines Gastdozenten aus Kanada gegangen. Er hatte über die neue Wissenschaft der Verbrechensanalyse gesprochen und wie man sie für polizeiliche Ermittlungen einsetzen könnte. Es war, als ginge in ihrem Kopf plötzlich eine Glühbirne an. Es fiel Fiona wie Schuppen von den Augen, und sie wusste plötzlich, was sie mit ihrem Leben machen wollte.
    Eine Stunde Vortrag in einem Hörsaal, und nichts war mehr wie vorher. Sie konnte Lesley nicht retten. Sie konnte nicht einmal Lesleys Mörder finden. Aber jetzt begriff Fiona, dass sie eines Tages vielleicht dadurch Erlösung finden würde, dass sie einen anderen Menschen rettete.
    Diese Aussicht

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