Die Erfinder Des Todes
wenige lächelnde Gesichter als Resonanz, dachte sie bedauernd.
Wahrscheinlich weil die Hälfte von ihnen sich schon für eine solche Karriere entschieden hatte. So ernst waren die heutigen Studenten.
»Wenn wir also einfühlsames Verständnis für den kriminellen Psychopathen entwickeln wollen«, fuhr Fiona fort, »müssen wir lernen, in der Zeit zurückzugehen. Ich verabschiede mich heute von Ihnen mit einem Gedanken, der ebenfalls aus diesem psychologisch so faszinierenden Text, der Bibel, stammt:
>Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.< Oder, wie wir bei unserer Arbeit so oft sehen, ins Reich der Hölle.« Sie schloss mit einem kurzen freundlichen Nicken. »Danke, meine Damen und Herren.
Bis nächste Woche zur selben Zeit.«
Mit gesenktem Kopf sammelte Fiona ihre Unterlagen zusammen, während die Studenten hinausgingen und ihr gedämpftes Murmeln noch zu ihr herüberklang. Sie fragte sich, wie groß die Enttäuschung über ihre Vorlesung wohl war. Sie war sicher, dass ein beträchtlicher Anteil der Studenten sich für ihre Kurse über »Die kriminelle Persönlichkeit« eintrug, weil ihre Phantasie vom Schweigen der Lämmer angeregt war. Sie erwarteten eine Jodie Foster, die sich von Instinkt und Intuition leiten ließ, und wurden stattdessen mit Seminaren über Statistik konfrontiert, und es wurde von ihnen verlangt, beim Schreiben ihrer Arbeiten intellektuelle Strenge walten zu lassen. Die Rate derer, die aufgaben, störte ihren Institutsleiter, nicht aber Fiona.
Für verworrene Köpfe hatte sie nie etwas übrig gehabt.
Ein sechster Sinn ließ sie den Blick heben, und ein unbefangenes Lächeln trat auf ihr Gesicht, als sie Kits kräftige Gestalt sah. Er kam durch den Gang zwischen den ansteigenden Plätzen langsam auf sie zugeschlendert, erwiderte ihr Lächeln und stützte schließlich die Unterarme auf den Rand ihres Podiums, während sie ihre Notizen ordnete und in ihren Aktenkoffer steckte. »Guter Abschluss«, sagte er. »Das Bild eines soziopathischen Mörders als Peter Pan gefällt mir. Der Junge, der nie erwachsen wurde.«
»Na, das ist ein interessanter Vergleich. Wenn ich da ein bisschen Arbeit hineinstecke, könnte ich was draus machen.
Captain Hook und die verlorenen Jungen, Wendy als Mutter-figur ... Danke Kit, ich glaube, das werde ich glatt klauen. Also, welchem Umstand verdanke ich das Vergnügen?«, fragte Fiona, trat auf seine Ebene hinunter und streifte seine Wange mit einem Kuss.
»Ich bin heute wie eine Lokomotive losgerauscht, und vor einer Stunde ist mir der Dampf ausgegangen. Da habe ich mich erinnert, dass es um sechs eine Lesung mit Party für Adam Chesters neues Buch im >Crime in Store< gibt. Ich dachte, ich schau mal kurz hier vorbei, vielleicht hättest du Lust mitzukommen.« Kit ging neben ihr her.
»Du hast doch nicht vergessen, dass wir heute Abend mit Steve essen wollen?«, fragte Fiona.
»Wir müssen erst um acht dort sein. Ich dachte, wir könnten uns auf dem Weg dorthin ein paar Gläser Verlagsfusel hinter die Binde gießen. Und ich könnte mich mal wieder zeigen und die anderen daran erinnern, dass ich noch im Rennen bin. Aber das musst du entscheiden, Schatz. Wenn du zu viel zu tun hast, sehe ich dich später bei Steve.« Kit legte ihr den Arm um die Taille und drückte sie leicht, bevor sie in die Halle des Psychologischen Instituts hinaustraten.
Fiona überlegte kurz. Außer den Korrekturen der Seminararbei-ten lag nichts Wichtiges vor, und die konnten bis morgen früh warten. »Lass mich in meinem Büro nachsehen, und wenn in der letzten Stunde nichts Dringendes angefallen ist, sag ich Ja.«
In der auf Krimis spezialisierten Buchhandlung drängten sich Autoren, Sammler und Fans von Adam Chester und seinen Büchern, die sich mit der raffinierten Verfahrenstechnik der Polizeiarbeit in den fünfziger Jahren befassten und wunderbar geschrieben waren. Zum Erscheinen des neuen Buchs, Nummer zehn der Serie, hatte sein Verleger alle früheren Taschenbuch-ausgaben mit neuer Umschlaggestaltung wieder aufgelegt. Die verschwommenen Fotos auf den Umschlägen beschworen die dunklen, düsteren Schauplätze der Bücher herauf. Sein Lektor und Verleger stand stolz neben einer Ausstellung der Umschläge und versuchte, potenzielle Käufer mit einem Lächeln empfänglich zu stimmen.
Sobald er in die Tür trat, war Kit von einem Trio begeisterter Frauen umringt, die bei jeder Veranstaltung zur Krimiliteratur in der Hauptstadt
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