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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Übrigens: August Anz ist auch verschwunden, jedenfalls ist er nicht zu Hause, niemand hat ihn gesehen, und sein Auto ist weg.«
    »Sie sind zusammen weg«, sagte Süden.
    »Zusammen?«, sagte Thon. »Anz und Raphael? Dafür gibt’s keine Anhaltspunkte. Nein, möglicherweise hat er was mit dem Tod seines Freundes Oberfellner zu tun und ist deshalb untergetaucht. Vielleicht ist er ja auch nur irgendwo beim Saufen, Sonntagsbrunch …«
    »Ich bin sicher, dass Anz und Raphael gemeinsam unterwegs sind«, sagte Süden.
    »Zweimal hintereinander? Blödsinn! Der Junge braucht den Alten nicht. Wenn das stimmt, dass er sich umbringen will, was soll dann der Alte dabei? Hör auf mit deinen Spekulationen, Tabor, du machst uns alle damit verrückt! Wir sehen uns in fünf Minuten.«
    Er eilte an den beiden vorbei nach oben.
    Sonja sah Süden an. Fragend zog er die Augenbrauen hoch.
    »Was bedeutet das, wenn die beiden zusammen sind?«, fragte sie und grüßte einen Kollegen, der an ihnen vorbeihetzte und nach Knoblauch roch.
    »Solange der Mann in seiner Nähe ist, bringt sich Raphael nicht um«, sagte Süden. Er zog den Reißverschluss seiner Lederjacke auf, und Sonja sah das Amulett mit dem Adler am dünnen Lederband. Der Anblick des kleinen Ausschnitts seiner behaarten Brust katapultierte ihre Gedanken auf ein anderes Terrain, weit weg von hier.
    »Warum – warum denn nicht?«, fragte sie und knöpfte ihren Mantel auf.
    »Weil er denkt, dass Anz ihn daran hindern will, und das würde der Mann auch tun. Aber das ist nur eine Vermutung.«
    Von drinnen waren laute Stimmen zu hören, jemand schlug mit der Hand auf den Tisch, und der Disput wurde heftiger.
    Süden öffnete die Tür. Die Luft war abgestanden und das Fenster beschlagen. Thomas Vogel hatte die Faust geballt und redete auf Rolf Stern ein, der ihm unbewegt zuhörte. Außer Braga und Gerke war noch ein weiterer Mann im Raum, Karl Funkel und Nadine Bach saßen nicht mehr am Tisch. Süden und Sonja Feyerabend traten ein. Die Kollegen nickten ihnen zu.
    »Von Ihnen lass ich mir gar nichts anhängen. So springt niemand mit mir um, das schwör ich Ihnen!«
    »Guten Tag«, sagte Tabor Süden.
    Vogel schaute ihn an und hob dann wieder die Faust.
    »Und noch was …« begann er.
    »Guten Tag«, sagte der Mann, der kein Polizist war, einen billigen Anzug trug und neben Vogel stand. »Ich bin Rechtsanwalt Dr. Frazek, ich vertrete die Interessen von Herrn Vogel.«
    »Hauptkommissar Tabor Süden.«
    »Hauptkommissarin Sonja Feyerabend.«
    Bei diesem Namen stutzte Vogel, wandte sich Sonja zu und verzog den Mund. »Sie schon wieder! Jetzt passen S’ mal auf …«
    »Würden Sie Ihrem Mandanten sagen, er soll das sein lassen«, sagte Sonja Feyerabend.
    »Hör zu, du …«, sagte Vogel, »was du mit meiner Frau angestellt hast …«
    »Bitte, Thomas, einen Moment!«, sagte Frazek. »Wir wollen erst diese Sache hier zu Ende bringen.«
    »Scheiß drauf!« Vogel zeigte mit dem Finger auf die Kommissarin, die plötzlich das Verlangen hatte, einfach zuzuschlagen, ohne Vorwarnung, mitten hinein in dieses Gesicht, aus dem zwei Augen sie anglotzten, als wäre sie der Abschaum der Welt; einfach zuschlagen, sich umdrehen und weggehen, und wenn er nachmault, sich umdrehen, hingehen, nochmal zuschlagen und wieder weggehen, so lange, bis er begriffen hatte, was sie meinte.
    Mit einer heftigen Bewegung nahm sie ihre Umhängetasche ab und lehnte sie an die Wand. Noch ein Ton, und du rührst nie wieder deine Frau und dein Kind an … Oft passierte ihr das nicht, dass sie bei der Arbeit die Beherrschung verlor, aber jetzt war sie kurz davor. Sie musste sich ablenken.
    »Kann ich ein Glas Wasser haben?«, fragte sie.
    »Sogar mehrere«, sagte Braga freundlich, öffnete eine frische Flasche Mineralwasser, füllte eines der Gläser und reichte es ihr. Sie trank es in einem Zug aus, und er schenkte ihr nach.
    »Danke«, sagte sie.
    »Herr Kommissar«, sagte Frazek zu Stern, »seien Sie so nett und sagen Sie mir, was genau Sie meinem Mandanten vorwerfen, dann können wir das klarstellen und wieder nach Hause gehen.«
    »Ihr Mandant steht unter dem Verdacht, Frank Oberfellner getötet zu haben. Hören Sie mir nicht zu?«, sagte Stern.
    »Ich hab damit nichts zu tun, Meister«, sagte Vogel. »Hören Sie mir mal zu, ja? Ich erklär’s Ihnen nochmal, ganz langsam …« Er griff nach dem Tischmikrofon und holte es näher zu sich her, bis an den Rand des Tisches.

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