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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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»Ich-habe-diesen-Scheißkerl-nicht-gekillt …«
    »Sie waren doch bei ihm in der Wohnung, Herr Vogel, hören Sie auf, hier rumzulügen!«, sagte Stern.
    Vogel setzte zu einer Erwiderung an, dann überlegte er es sich und drehte sich zu Tabor Süden um. »Hey, mir wär’s lieber, Sie suchen sich einen Stuhl, Chef, das macht mich nervös, wenn Sie da rumstehen, danke.«
    Süden verschränkte die Arme und rührte sich nicht von der Stelle.
    »Es ist eine Bitte, Herr Kommissar«, sagte Vogel. »Ich fühl mich irgendwie, äh, angemacht von Ihnen, verstehen Sie mich nicht falsch, ich kenn Sie nicht, aber Sie machen mich an, und das kann ich nicht ausstehen, ich hab da ein feines Gespür dafür, wenn mich einer anmacht …«
    »Schluss damit!«, sagte Stern. Ihm gefiel es auch nicht, dass sein Kollege unangemeldet hereingekommen war und jetzt schweigend dastand, als brüte er über einem finsteren Geheimnis. Aber das war eben seine Art, da konnte man nichts machen, außerdem hatten sie keine Zeit zu verlieren. »Jetzt sagen Sie uns endlich, wie Sie in diese Wohnung gekommen sind!«
    Frazek klopfte seinem Mandanten, der zudem einer seiner besten Gäste war, aufmunternd auf die Schulter; dem Anwalt gehörten mehrere kleine Lokale, unter anderem die
Happy-Bar,
in der Vogel heute Mittag seinen letzten Wodkatonic getrunken hatte.
    »Ich hab den Arsch nicht umgebracht, basta!«, sagte Vogel und verpasste dem Mikrofon einen Schlag, dass es über den Tisch rutschte. Stern stellte es wieder hin, als wäre nichts passiert.
    »Aber Sie waren in der Wohnung!«
    »Ja, in der Wohnung. Und soll ich Ihnen mal verraten, wieso?«
    »Das wäre sehr entgegenkommend.«
    »Weil die Tür offen war.«
    Sonja Feyerabend nagte an der Unterlippe. Dann setzte sie sich an die Längsseite des Tisches, so dass Vogel sie direkt anschauen konnte. Was er auch sofort tat.
    »Warum war die Tür auf?«, fragte Stern.
    »Starke Frisur«, sagte Vogel zu Sonja.
    »Warum war die Tür auf, Herr Vogel?«
    »Die Tür war auf, weil Sonntag ist und der Herrgott in die Wohnungen seiner Lieben kommt.«
    »Bitte, Thomas!«, sagte Frazek. Es war schon eine Weile her, zwei, drei Jahre, wenn er genau darüber nachdachte, dass jemand ihn in einer juristischen Angelegenheit um Rat gefragt hatte, und er hatte ursprünglich nicht die geringste Lust gehabt hierher zu kommen; doch Vogel hatte am Telefon nicht locker gelassen, und es war klar, dass er außer ihm keinen Rechtsanwalt kannte; also hatte er den Job übernommen.
    »Keine Ahnung, warum die Scheißtür auf war, ich bin reingegangen, und da lag er am Boden, vor der Couch, der Scheißer, hat sauber geblutet, der ganze Teppich war versaut, ich bin bis zur Tür gegangen und hab ihn mir angesehen, er lag da und war tot, und das war’s dann. Ich hab mir gedacht, der hat seine Strafe gekriegt, und bin wieder weg. Zufrieden?«
    »Nein«, sagte Stern.
    »Mehr sag ich nicht.«
    »Sagen Sie Ihrem Mandanten, dass ich sofort einen Haftbefehl gegen ihn kriege, wenn er so weitermacht«, sagte Stern. Mit einem Auge hatte er seinen Kollegen Süden im Blick, der einen unruhigen Eindruck machte; wenn ihm was auf der Zunge lag, warum sagte er es dann nicht einfach?
    »Sag dem Kommissar, wo du vorher warst, bevor du in die Alramstraße gefahren bist!«
    »Was geht den das an? Also gut, ich war unterwegs, um die Häuser, ich hab erst meiner Freundin bei der Show zugesehen, bis um drei ungefähr, dann haben wir zwei Flaschen Sekt getrunken, dann waren wir noch in der
Blue-Bar,
und dann noch wo, und dann ist mir eingefallen, dass ich schon lange mal diesem Arsch einen geigen wollte, der mein Kind misshandelt hat. Ich hab mir ein Telefonbuch besorgt und die Adresse rausgeschrieben, basta. Und dann bin ich hingefahren.«
    »Wie sind Sie hingefahren?«
    »Mit dem Auto, mit was denn sonst? Taxi kann ich mir nicht leisten, ich bin nämlich arbeitslos. Ich brauch was zu trinken.«
    »Vor Ihnen stehen Mineralwasser und Kaffee«, sagte Stern.
    Vogel verzog das Gesicht; je nüchterner er wurde, desto gereizter reagierte er auf alle Fragen.
    Aus hunderten von Vernehmungen, an denen er beteiligt war, wusste Stern, dass ohne ausreichende Pausen die gesamte Befragung zunehmend an Wert verlor; insofern hatte er bis jetzt noch Glück gehabt, da Vogel trotz seiner Trunkenheit kooperationsfähig war, unabhängig davon, dass er ein dämliches, zeitaufwändiges Spiel trieb.
    »Sie behaupten, Frank Oberfellner war bereits tot, als Sie in seine Wohnung kamen,

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