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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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versteckt haben könnte?«
    Hanne schüttelte den Kopf, und sie setzten schweigend ihren Weg fort.
    »Ist Ihr Exmann manchmal verreist?«, fragte Sonja, als sie das Tor erreichten.
    »Nie. Er war kein Verreiser. Er war mit seiner Straßenbahn unterwegs, das genügte ihm.«
    Sonja blieb stehen und atmete die kühle Luft ein. Wenn sie etwas noch niederschmetternder fand als einen Morgen ohne Kaffee, dann war es ein Montagmorgen ohne Kaffee, und die letzte Steigerung war eine Beerdigung, die am Morgen stattfand, am Montagmorgen, und an der sie teilnehmen musste, ohne vorher einen starken, heißen schwarzen Kaffee trinken zu können. Doch der wahre Grund, weshalb sie Beerdigungen nicht mochte, egal, wann sie stattfanden und wie viel Kaffee sie vorher getrunken hatte, war, dass Friedhöfe sie in einen Zustand drückender Melancholie versetzten. Ihr genügte der Anblick eines Friedhofs aus der Ferne, und all ihre Kraft und nüchterne Weltsicht schwanden dahin, und sie kam sich vor wie eine Welle im Ozean, für einen Augenblick wahrhaftig und schon verschluckt von ewiger Monotonie. Dann dachte sie jedes Mal, wie es wäre, noch einmal ein Mädchen und unsterblich zu sein. Und es kam vor, dass sie die Hände zu Schalen formte, um die Tränen darin aufzufangen.
    Als sie die
Brecherspitze
erreichten, bemerkte sie, dass Hanne Weck sich bei ihr untergehakt hatte.
     
    »Servus, Punkmaus«, sagte Heuer, als Sonja ihre Schirmmütze abnahm und ihr sonnengelbes Haar mit dem eigenwilligen Muster zum Vorschein kam. Alle außer Heuer tranken Bier – der Hauptkommissar wartete auf seinen Tee –, und Sonja bestellte eine Portion Kaffee und fragte Hanne Weck, was sie haben wolle. »Wasser und viel Kaffee«, sagte Hanne und setzte sich neben Sonja ans Ende des Tisches, weit weg von Thomas Vogel. Er umklammerte mit einer Hand sein Bierglas und ließ den anderen Arm herunterhängen, wobei er sich zurückgelehnt hatte und scheinbar so lässig dasaß wie in einer Versammlung, die ihn nicht besonders interessierte. Als Sonja und Hanne hereinkamen, würdigte er sie keines Blickes.
    Die Bedienung brachte das Mineralwasser und den Kaffee, und Sonja kontrollierte sofort, ob er heiß war. Dampf stieg aus der Tasse auf, und Sonjas Lebensgeister schälten sich augenblicklich aus ihrem Nachtpanzer.
    Martin Heuer blickte in die Runde und legte seinen Notizblock auf den Tisch. Er hatte den Reißverschluss seiner Bomberjacke aufgezogen, und man sah den braunen Rollkragenpullover, den er darunter anhatte, ein schäbiges Teil, für das er im Dezernat eine Menge Spott erntete.
    »Lassen Sie bitte Ihre persönlichen Animositäten beiseite«, sagte er und sah Vogel an. »Wir haben ein paar sehr wichtige Fragen an Sie, und wir möchten, dass Sie sie so exakt wie möglich beantworten. Ich sag Ihnen gleich, wenn das hier nicht klappt, nehmen wir Sie ins Dezernat mit. Wir suchen einen neunjährigen Jungen, Ihren Sohn …« Kirsten kratzte sich an der Hand und nahm dann ihre brennende Zigarette aus dem Aschenbecher, ohne sie in den Mund zu stecken.
    »… Raphael, und wir können ihn nur dann möglichst schnell finden, wenn Sie uns helfen.« Heuer machte eine kurze Pause und wandte sich wieder an das Ehepaar Vogel. »Zuerst möchten wir Ihnen eine Frage stellen, und bevor Sie womöglich heftig darauf reagieren, überlegen Sie genau, was Sie sagen, diese Frage ist keine Provokation, sondern ein Angebot …«
    Jetzt riss sich Thomas Vogel vom Anblick seines Bierglases los und schaute Heuer von der Seite an. Susanne Klein und Evelin Sorge, die sich erst vor einer Stunde kennen gelernt hatten, rutschten auf ihren Holzstühlen hin und her. Kirsten drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und ritzte mit dem Fingernagel das Filterstück ein.
    »Frau Vogel, Herr Vogel«, begann Sonja, und alle Augen richteten sich auf die beiden. Ein Schweigen begann … »ist Ihr Sohn Raphael wirklich von zu Hause weggelaufen?« … und wuchs über den Tisch hinaus und ließ am Tresen die Bedienung verstummen, die ihrem Kollegen gerade von einem fulminanten Wochenende erzählte.
    Kirsten öffnete den Mund, hielt inne und bewegte sich nicht mehr. Dafür reagierte ihr Mann. Er hob seinen Hintern, packte den Stuhl, schob ihn scharrend einige Zentimeter näher zum Tisch, setzte sich wieder, beugte sich nach rechts, zog seine Frau an der Schulter nach hinten, so dass er freie Sicht auf Sonja hatte, die an der Schmalseite des Tisches saß, und stieß Luft durch die Nase.
    »Was ist?

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