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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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ein einziger unverschämter Mist, und wenn Sie noch mal irgendwas sagen, ohne dass ich Sie dazu aufgefordert hab, dann kriegen Sie so viel Ärger mit mir, dass Sie sich in die Hosen machen, das schwör
ich
Ihnen, Herr Vogel!«
    »Hör mal, du blöde …«
    »Was? Blöde was? Blöde Kuh? Blödes Arschloch? Was? Was ist, Herr Vogel?«
    Er nickte, verzog den Mund, setzte ein schiefes Grinsen auf und stieß gut hörbar mehrmals hintereinander Luft durch die Nase. Zu mehr an Verachtung ließ er sich im Augenblick nicht herab.
    »Kommen Sie, Herr Vogel«, sagte Heuer, »wir gehen in das Gasthaus, das Sie vorhin erwähnt haben, wir müssen uns überlegen, was wir jetzt wegen Ihrem Sohn unternehmen. Kommen Sie, wir haben es eilig!« Er nahm ihn beim Arm, und Vogel machte sich los. Er wollte etwas sagen, aber da ihn Sonja immer noch anschaute, schwieg er, packte seine Frau an der Hand und zerrte sie hinter sich her.
    »Wart doch, ich muss noch das Glas mit dem Weihwasser mitnehmen, das wird doch sonst geklaut …«
    Das kümmerte ihn nicht, und sie gehorchte. Trippelte hinter ihm her, sah sich nach Sonja und den anderen Frauen um, und ihr Gesicht verriet weder Zorn noch Trauer.
    »Brecherspitze«,
sagte Heuer zu Sonja, die das Lokal kannte.
    »Bitte gehen Sie mit meinem Kollegen mit, es dauert nicht lange«, sagte sie zu den beiden Frauen, und diese machten sich auf den Weg.
    Hanne Weck ging noch einmal zum Grab, faltete die Hände und senkte den Kopf. Als sich Sonja neben sie stellte, sagte sie: »Neun Leute, nicht gerade ein üppiger Freundeskreis, stimmt’s? Das war’s dann, das ganze Leben, eine Anzeige in der Zeitung und neun Leute, die ums Grab rumstehen und sich nichts zu sagen haben. Thomas hat mich noch nie gemocht, ich weiß nicht, wieso, vom ersten Tag an, er ist der Sohn aus Georgs erster Ehe. Als ich Georg kennen lernte, da war Thomas zwanzig. Er wollte zur Polizei, haben Sie das gewusst? Aber sie haben ihn nicht genommen. Er wird schnell böse und aggressiv, Sie haben ihn ja erlebt.«
    »Worüber haben Sie in Ihrem letzten Telefonat mit Georg gesprochen?«, fragte Sonja und gab sich noch drei Minuten, bevor sie einfach auf und davon laufen würde.
    »Über Thomas’ Gewalttätigkeit, er schlägt seine Frau und seinen Jungen auch. Er will, dass immer alle nach seiner Pfeife tanzen, aber Kirsten … sie ist eigentlich eine selbstständige Frau, sie wollte die Hotelfachschule besuchen, aber das hat Thomas ihr verboten. Er wollte, dass sie zu Hause bleibt, so einer ist das. Er hat als Kaufhausdetektiv gearbeitet. Jahrelang, bis sie ihn auch da rausgeworfen haben, weil er Kunden angeschwärzt hat, die sich dann beschwert haben. Ja, er hat Raphael geschlagen, wenn der wieder zu lange draußen war oder sich irgendwo in der Stadt rumtrieb. Aber Sie müssen wissen …«
    Sie bekreuzigte und bückte sich und sprenkelte Weihwasser in die Grube.
    »Raphael hat sich nie rumgetrieben, er war immer bei seinem Großvater, er ist mit ihm in der Straßenbahn gefahren, Georg fuhr oft die Strecke nach Grünwald raus, die Fünfundzwanziger, das war Raphaels Lieblingsstrecke. Ich kann gut verstehen, dass der Junge geschockt war, als er gehört hat, dass sein Opa tot ist. Er hat ihn geliebt, mehr als seine Mutter, glaub ich, Georg war sein Ein und Alles, Vater, Großvater, Freund, Kumpel, alles …« Sie schniefte und schaute auf ihre goldene Armbanduhr. »Ich hab Hunger, und ich brauch einen Kaffee, sonst sterb ich.«
    »Ich auch«, sagte Sonja, und das war der eine Grund, warum sie so schnell wie möglich hier weg wollte. Auf der ganzen Strecke von Milbertshofen bis nach Giesing war es ihr nicht gelungen, an einem Café anzuhalten; entweder hatte sie keinen Parkplatz gefunden oder den Laden zu spät bemerkt und im starken Verkehr nicht mehr wenden können. »Dann nichts wie weg hier!«
    »Georg hat zu mir gesagt, er habe Angst davor, dass Raphael von zu Hause wegläuft«, sagte Hanne, während sie zum Ausgang an der St.-Martin-Straße gingen. Das Zittern der Blätter kündigte Regen an, die Fortsetzung des grausamen Wetters, das seit drei Wochen die Stadt heimsuchte. »Raphael wurde immer verschlossener in letzter Zeit, sogar gegenüber Georg, er hat Andeutungen gemacht …«
    »Was für Andeutungen?«
    »Dass er es nicht mehr aushält, weil sich seine Mutter nicht mehr um ihn kümmert, sie jobbt in einer Großschneiderei, glaub ich, und weil sein Vater eine neue Freundin hat …«
    »Haben Sie eine Ahnung, wo sich Raphael

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