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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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würden bei der Vorstellung, wieder nach Hause gehen zu müssen. Trotzdem, dachte Süden, während er den anthrazitfarbenen Vectra auf der Sonnenstraße im Zentrum Münchens parkte, hatte Martin angefangen, so Zeug wie Orgasmus zu trinken, obwohl er Cocktails verabscheute – vor allem, weil er sie nicht vertrug.
    »Der Heurige? Freilich!« Der junge Barkeeper mit den breiten Koteletten und dem silbernen Daumenring lächelte Süden überschwänglich an, als wolle er ihn für Zacharias entschädigen. »Der war da, bis um vier, er war der letzte Gast. Was ist mit ihm? Hat er den Whisky nicht vertragen?«
    »Er hat Whisky getrunken?«
    »Diverse.« Der junge Mann war groß und schmächtig und trug eine schwarze Brille mit einem dicken Gestell. »Und er hat dauernd geschrieben, vielleicht ein Tagebuch?«
    »Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Wenig. Er hat mit einer Frau rumgemacht, die haben ziemlich rumgeknutscht, die beiden.«
    »Kennen Sie die Frau?«
    Der Barkeeper stellte zwei Tassen Cappuccino auf den Tresen, die ein dunkelhäutiger Kellner zu einem Tisch mit zwei jungen rauchenden Frauen trug. In diesem Café war Tabor Süden mit seinen dreiundvierzig Jahren bei weitem der Älteste.
    »Ne, hab ich nie vorher gesehen. Der Heurige hat sie angesprochen, sie saß allein da hinten bei der Treppe, er hat sich zu ihr gesetzt, und dann ging’s los. Sie waren gut bei der Sache.«
    »Haben Sie zufällig ihren Namen gehört?«
    Der Barkeeper schüttelte den Kopf und zündete sich eine Zigarette an.
    »Sie haben gesagt, er war der letzte Gast, das heißt, die Frau war dann nicht mehr da?«
    »Die war weg.«
    »Wann ist sie gegangen?«
    »Kann ich nicht sagen. Ich glaub, sie war total zu, na ja, war auch nicht mehr die Jüngste.«
    »Wie alt?«
    »Fünfzig?«, sagte der Barkeeper, behielt die Zigarette im Mundwinkel und machte zwei Espresso fertig.
    »Hat Martin ein Taxi gerufen?« Süden schaute auf die Uhr.
    »Der doch nicht, der ist immer selber gefahren. Er hat immer gesagt, das wär viel zu gefährlich für ihn, zu Fuß zu gehen. Wenn er selber fährt, kann er wenigstens nicht vor ein Auto fallen. Schräger Typ, der Heurige.«
    »Das klingt, als wär er bei Ihnen Stammgast.«
    »Er kommt oft, ich glaub, er hat auch schon mal hier gearbeitet, also, als Polizist, er hat Leute hierher bestellt, zum Verhör, echt, Mann, er saß da am Fenster und hat die Leute verhört.«
    »Das ist doch Unsinn!«
    »Ich schwör’s, Mann. Eine Kollegin von mir hat ihn bedient, die hat gehört, wie er Fragen gestellt hat und sich Notizen gemacht hat und so weiter. Vielleicht hat’s ihm hier besser gefallen als in seinem Büro. Ist das verboten?«
    Süden blickte zum Fenster und stellte sich seinen Freund vor, wie er bei einer Tasse Tee mit Milch Zeugen ausfragte; was mochten die von ihm gedacht haben? Und wieso hatte sich darüber noch nie jemand im Präsidium beschwert? Die Leute beschwerten sich normalerweise über alles, wenn sie den Eindruck hatten, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging.
    »Das glaub ich Ihnen nicht«, sagte Süden. »Wieso erzählen Sie mir so einen Unsinn?«
    »Es ist wahr. Sie müssen es Ihrem Chef ja nicht weitersagen. Oder sind Sie sein Chef?«
    »Nein. Diese Frau heut Nacht, die hat er also nicht gekannt, er hat sich zu ihr an den Tisch gesetzt und mit ihr rumgeknutscht.«
    »Elchisch haben die geknutscht. Und dann war die Frau auf einmal weg. Meine Kollegin hat gesagt, der Heurige hat ihre Zeche mitbezahlt.«
    »Und Sie haben nicht mitgekriegt, ob er anschließend noch woanders hinwollte?«
    »Er hat nur gesagt, dass er noch nicht nach Hause fährt, das hat er gesagt, mehr nicht, wahrscheinlich hat er sich dann in sein Auto gesetzt und ist zu einem anderen Lokal gefahren, vielleicht ins
Nachtcafé,
das ist ja nicht weit weg.«
    »Ich muss telefonieren.«
    »Da hinten.« Der Barkeeper zeigte in Richtung der Toiletten. Süden ging hin.
    »Habt ihr keine Handys bei der Polizei?«, rief ihm der Barkeeper hinterher.
    Wo bist du? Geh ans Telefon, du Esel! Wieder drehte Süden seinen Körper rhythmisch im Kreis und wartete auf eine Reaktion am anderen Ende der Leitung.
    Nach dem fünften Klingeln sprang der Anrufbeantworter an. »Martin Heuer. Bitte hinterlassen Sie mir eine Nachricht! Danke, auf Wiederhören.«
    »Martin! Hier ist Tabor. Ich bin zurück, ich weiß, dass du im Dezernat angerufen hast, wenn du zu Hause bist, geh ran, bitte! Ich bin jetzt im
Iwan
und fahr gleich zurück in die Arbeit, ruf mich

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