Die Erfindung des Jazz im Donbass
Mais und schwarz von der trockenen Erde, ab und zu stieß ich auf kleine Mulden, die Gegend erinnerte mich an einen Golfplatz, auf dem aus irgendeinem Grund Mais gesät worden war. Plötzlich sah ich vorne, in etwa zweihundert Meter Entfernung, eine menschliche Gestalt, jemand rührte sich nicht vom Fleck und horchte in die Stille hinein. Ich konnte nicht erkennen, wer das war, und dachte, dass wir wohl beide ziemlich komisch aussahen – komisch und verdächtig mitten im Mais, mitten in dieser Schwarzerde. Als ich näher kam, erkannte ich Katja. Sie hatte eine Jeanslatzhose an, in der sie sich bei dieser Hitze bestimmt nur schwer bewegen konnte. Unter der Latzhose trug sie ein knallgelbes T-Shirt. An den Füßen hatte sie dieselben Sandalen wie beim letzten Mal. Sie hatte mich auch bemerkt und wartete nun, bis ich herankam.
– Was machst du denn hier? – fragte ich zur Begrüßung.
– Und du? – Sie wunderte sich offensichtlich gar nicht, mich hier zu sehen.
– Hab nach dir gesucht.
– Was du nicht sagst, – sie schaute mich kalt und argwöhnisch an.
– Hi, – ich reichte ihr die Hand.
Sie überlegte einen Moment, dann streckte sie ihre Hand aus und lächelte mich sogar an, aber eher verächtlich als freundschaftlich.
– Also was machst du hier?
– Ich suche Pachmutowa.
– Wen? – fragte ich verständnislos.
– Pachmutowa. Den Schäferhund. Sie läuft immer hier in die Felder.
– Die kommt zurück. Hunde sind klug.
– Aber sie ist schon ganz alt, – sagte Katja beunruhigt. – Sie hat Sklerose. Ist schon ein paar Mal auf die Landstraße gelaufen, ich hab sie kaum wiedergefunden. Gut, dass sie hier jeder kennt und niemand ihr was tut.
– Nimm sie halt an die Leine. Damit sie dir nicht wegläuft.
– Komm, ich nehm dich mal an die Leine, – sagte Katja empört. – Damit du nicht wegläufst.
– Ist ja gut, – sagte ich versöhnlich.
Aber Katja wollte nichts mehr hören. Sie drehte sich um und fing an, ihren Schäferhund zu rufen.
– Pachmutowa! – rief sie in die leeren Felder hinein. – Pachmutowaaaa!
Da war plötzlich ein komisches Geräusch zu hören. Es schwoll an, zerfiel in scheppernde Töne und zerbrach die Stille wie ein Eisbrecher das Flusseis. Katja erstarrte und schaute hoch. Am Himmel bewegte sich ein merkwürdiges Ding. Es kam in unsere Richtung, und bald ging mir auf, dass es ein kleines Flugzeug war, eine AN - 2. Plötzlich stürzte sich Katja auf mich, zog mich am Ärmel und warf sich zu Boden. Ich fiel auf sie. Na so was, dachte ich. Aber Katja flüsterte mir ins Ohr:
– Lieg still und beweg dich nicht. Und gib mir Deckung. Ich habe ein helles T-Shirt an, da könnten sie mich sehen.
– Wer? – ich kapierte nicht.
– Die Maiskönige.
– Ist das etwa ihre Luftwaffe?
– Ja. Am besten ihnen gar nicht unter die Augen kommen. Sie mögen es nicht, wenn jemand ihr Revier betritt. Das gibt dann Probleme.
– Ach Quatsch, – ich versuchte aufzustehen.
Aber Katja zog mich wild auf sich, ihre Stimme war voller Angst:
– Liegenbleiben, hab ich gesagt!
Ich legte mein Gesicht an ihre Schulter. Die Erde unter ihrem Kopf war trocken und rissig, Ameisen liefen die Maisstengel entlang, und der Staub drang in Katjas schwarze Haare. Ihre Augen hatten die Farbe des Staubs, als versuchte sie, mit der Landschaft zu verschmelzen und unsichtbar zu werden. Das Flugzeug kam näher, es dröhnte tollkühn und bedrohlich, und ich deckte Katja mit meinem Körper zu, drückte mich in sie wie ins Gras. Sie atmete misstrauisch, und plötzlich glitt ihre Hand unter mein T-Shirt.
– Du bist ganz nass, – sagte sie verwundert.
– Von der Sonne.
– Lieg still, – wiederholte sie.
– Was du für eine unbequeme Latzhose anhast. – Ich versuchte die Knöpfe am Latz aufzukriegen und die Hand unter ihr T-Shirt zu schieben, aber die Knöpfe hielten sich tapfer, ich zupfte und zog vergeblich, ich regte mich auf und ärgerte mich, sie berührte meine Haut irgendwie distanziert und schwerelos und guckte mich dabei auch gar nicht an. Sie war ganz auf das Flugzeug konzentriert, das mit schwerem Schatten über unsere Körper hinwegschoss, uns mit seinem Dröhnen betäubte und sich schnell entfernte, Rauch, Qualm und Leere zurücklassend. Ich hatte endlich den ersten Knopf aufgekriegt, da aber spürte sie wohl, dass die Gefahr vorüber war, zog ihre Hand aus meinem T-Shirt und schubste mich sanft weg.
– So, es reicht, – sagte sie und richtete sich auf.
– Warte! – Ich
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