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Die Erfolgsmasche

Titel: Die Erfolgsmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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›Trash‹ gespeichert hatten?«
    »Genau der.« Ich tauche theatralisch unter den Tisch und ziehe die Frauenliebe und Leben aus der Einkaufstüte. »Vorletzte Seite«, sage ich aufmunternd. »Lesen Sie. Die Kolumne von Sonja Rheinfall.«
    »Oh«, sagt Siegfried beeindruckt. »Das sind ja Sie!«
    Bingo, Sie Schnellchecker!
    »Worüber schreiben Sie denn?«
    »Über meine Erlebnisse als alleinerziehende Mutter.«
    »Aha!« Siegfried ist nun wirklich beeindruckt. »Da haben Sie ja eine Menge Stoff.«
    »Nicht wahr?«, gebe ich mich bescheiden, wobei ich mich vor Stolz kaum auf meinem Holzschemel halten kann. »Meine Kolumne ist Kult.«
    »Die ist sogar mir ein Begriff«, murmelt Siegfried anerkennend, während er mit acht klammen Fingern in der Frauenliebe und Leben blättert.
    »Wieso?« Ich könnte vor Wonne platzen.
    »Meine Mutter liest jede Woche die Kolumne von Sonja Rheinfall. Sie hat allerdings vermutet, dass dieser Name ein witziges Pseudonym ist.« Er hört mit dem suchenden Blättern auf und schaut mich an, als sähe er mich zum ersten Mal.
    »So heiße ich tatsächlich«, sage ich schlicht.
    Siegfried schaut mich über den Rand seiner Brille hinweg an: »Das ist natürlich genau der richtige Name für eine Erfolgsautorin.
« Er lächelt leicht und schiebt sich mit dem Mittelfinger die Brille zurück auf die Nasenwurzel.
    Bei Siegfried weiß man nie, ob er einen verscheißern will oder nicht.
    »Für eine Kolumnistin«, sage ich sofort wieder bescheiden. »Nur eine kleine Kolumne pro Woche. Nichts Aufregendes. Der Alltag mit den Kindern halt. Ungeschönt. Wie er eben so ist.«
    »Sonja Rheinfall …« Siegfried lässt sich meinen Namen auf der Zunge zergehen.
    »Der Name ist Programm«, grinse ich. »Er passt zu meinem chaotischen Leben.«
    »Sonja klingt nach Sonne«, sagt Siegfried und lächelt schon wieder so verlegen. »Insofern passt der Name zu Ihnen.« Huch! Was war denn das?
    Siegfried blättert umständlich weiter. Er hat die gesamte Frauenliebe und Leben jetzt schon fünfmal hin- und hergeblättert. Längst hätte ihm meine Kolumne ins Auge stechen müssen! »Leider kann ich die Kolumne nicht finden.«
    »Geben Sie mal her!« Ich reiße ihm das Heft einfach aus der Hand. »Vorletzte Seite.«
    Mit fliegenden Fingern blättere ich vor. Auf der vorletzten Seite ist ein Kreuzworträtsel. Hastig blättere ich zurück. Der Schweiß bricht mir aus. Auf der vorvorletzten Seite befindet sich eine ganzseitige Anzeige für eine Faltencreme. Ich lecke an meinem Zeigefinger, was ich sonst nie tue, und blättere ungeduldig weiter zurück. Da sind die Horoskope, auf der vorvorvorvorletzten Seite die Leserbriefe, und davor ist eine Homestory über die Kessler-Zwillinge. Ich blättere die ganze Zeitschrift von vorne durch. Das Übliche: Prinzessinnen, Hüte, Kostüme, Kosmetikanzeigen, Interviews mit Schlagersängern, eine Fürstenhochzeit, Inkontinenz-Einlagen, Beruhigungstee,
Kochrezepte, Diätpläne, die Begum und ihre Mutter Renate, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen - Hanni und Nanni für Reiche, sozusagen -, und Rätsel, Rätsel, Rätsel.
    Was bedeutet eigentlich Begum? Diese Frage brennt mir schon lange auf den Lippen. Ist es ein Adelstitel? Ein Kosename? Oder eine Verwandtschaftsbezeichnung? Für Zwillingsschwestern, die gleichzeitig Tochter und Mutter sind? »Grüß Gott, darf ich vorstellen, das ist meine Begum Bettina, und das ist meine Begum Hannelore. Komm, Begum, wir gehen.« Aber Siegfried ist mit Sicherheit nicht der richtige Ansprechpartner dafür.
    Wo meine Kolumne abgeblieben ist, ist mir ein Rätsel. »Sie ist nicht drin!« Fassungslos starre ich Siegfried an.
    »Offensichtlich nicht.« Siegfried scheint auch ein bisschen beunruhigt zu sein.
    »Aber das kann doch gar nicht … Das ist doch nicht … Ich meine, ich schreibe seit Jahren für dieses Blatt« Panisch halte ich mein leeres Glas hoch, auf dass Ziegenbärtchen sofort ein volles bringe.
    »Auf den Schreck hin trinke ich wohl auch ein Bierchen«, sagt Siegfried.
    Eine Zeit lang sagen wir nichts, sondern versenken uns nur in unsere Gläser. Siegfried hat eine Spur von Bierschaum auf der Oberlippe, als er schüchtern einwendet:
    »Vielleicht war diesmal aus aktuellem Anlass kein Platz für Ihre Kolumne …«
    »Quatsch«, falle ich ihm ins Wort. »Was da drin steht, ist absolut das Übliche!« Mit der Rückseite der flachen Hand schlage ich verächtlich auf die Illustrierte. »Nichts, wofür meine Kolumne hätte weichen müssen. Hier!

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