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Die Erfolgsmasche

Titel: Die Erfolgsmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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brauchen.«
    Auf Eis gelegt! Soll ich meine Kinder auch auf Eis legen oder was?!

    Auf meine Frage nach dem Warum hat es immer nur vage geheißen: »Wir orientieren uns neu. Wir modernisieren das Blatt. Bitte gedulden Sie sich, wir rufen Sie an.«
    Aber sie rufen nicht an! Und ich gedulde mich auch nicht!
    Das darf doch alles nicht wahr sein. Verzweifelt vergrabe ich das Gesicht in den Händen, als ich wieder mal vor dem Computer sitze. Meine Mails werden nicht beantwortet. Niemand ist mehr für mich zuständig! Meine Welt ist zusammengebrochen. Die Angst nagt an mir wie ein wildes Tier. Was soll ich machen? Was soll ich nur machen? Verzweiflung und das beschämende Gefühl, einfach ausgemustert worden zu sein, haben von mir Besitz ergriffen. Ich bin ein Nobody. Ein Niemand. Und ich verdiene kein Geld mehr. Das ist das Allerschlimmste.
    In meiner Not habe ich mich bei sämtlichen anderen Frauenzeitschriften beworben: Bei Constanze, Kunigunde, Frau im Schatten, Gerda im Garten - sogar bei Trautes Heim und Die gute Mutti !
    Es ist zum Verrücktwerden! Selbst Küche und Kirche haben mir eine Absage geschickt! Keiner will meine Kolumnen drucken. Offensichtlich stecken diese ganzen Chefredakteure gemeinsam unter einer Decke.
    Die Reserven auf meinem Konto schmelzen dahin wie Butter in der Sonne. Dabei wollen die Kinder weiterleben wie bisher. Sie wollen sich T-Shirts kaufen und verlangen fast jeden Morgen einen neuen Geldbetrag: »Heute haben wir länger Schule, ich brauche Essensgeld für die Schulkantine. Wir haben Chorprobe, ich habe den Notenbeitrag noch nicht bezahlt. Wir fahren ins Ski-Lager, bitte überweise endlich die vierhundert Euro …«
    Ich versuche, so wenig wie möglich zu jammern und die Kinder nicht allzu sehr mit meinen Sorgen zu belasten.
    Ich durchforste sämtliche Stellenangebote in der Zeitung. Andere Mütter jobben doch auch!
    Ich werde kellnern gehen! Das werde ich schon schaffen! Aber in sämtlichen Cafés und Kneipen hat man mich spöttisch angeschaut, als ich zugeben musste, noch nie als Bedienung gearbeitet zu haben. Oder man hat mich auf den Sommer vertröstet. Wenn hier wieder mehr los ist.
    Im Supermarkt habe ich mich beworben! An der Kasse! Ich kann auch Regale einräumen! Jedenfalls habe ich das behauptet. Für den Übergang … vielleicht halbtags!
    Als ich die unmenschlichen Arbeitszeiten und die miese Bezahlung erfahren habe, bin ich mit Tränen in den Augen und hängenden Schultern wieder davongeschlichen. Die irren Blicke der gehetzten Kassiererinnen in dem Billiggroßmarkt verfolgen mich bis in meine Träume.
    Ich habe meine Dienste als Nachhilfelehrerin angeboten und eine Anzeige geschaltet. Schließlich habe ich mein halbes Leben damit verbracht, mit meinen Kindern zu lernen. Zehn Euro pro Stunde wollte man mir bezahlen. Dafür, dass ich fünf Kinder mit Migrationshintergrund gleichzeitig in verschiedenen Fächern auf Hauptschulniveau bringe.
    Auf eine Anzeige habe ich mich selbst gemeldet: Jemand suchte eine Betreuung für seine alte Mutter. Als ich begeistert anbot, mich um sie zu kümmern, sie im Rollstuhl herumzuschieben, ihr vorzulesen und für sie einzukaufen, sagte man mir, dass das aber ehrenamtlich zu verstehen sei - selbstverständlich ohne jede Bezahlung.
    Mein Selbstbewusstsein ist auf die Größe einer Erbse zusammengeschrumpft. Mir ging es noch nie so schlecht.
    Aber ich darf mir nichts anmerken lassen. Die Kinder dürfen keine Angst bekommen. Ich muss sie beschützen.
    Wenn sie vormittags in der Schule sind, gehe ich erst mal
eine ausführliche Runde laufen und trabe durch den Schneematsch. Meine Füße werden nass und sind eiskalt, aber ich spüre sie nicht. Der Wind peitscht mir ins Gesicht, aber das tut gut. Meine Gehirnzellen weigern sich, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich renne einfach nur und höre meinen eigenen keuchenden Atem. Dabei führe ich laut Selbstgespräche, um nicht völlig durchzudrehen.
     
    Frustriert schlürfe ich an einem grauen Winterwochenende meinen Morgenkaffee. Ich fühle mich wie gerädert. Natürlich habe ich wieder die ganze Nacht kein Auge zugetan. Der Krach draußen strapaziert meine ohnehin schon angeschlagenen Nerven - es ist die Hölle.
    Alex hängt wie ein Schluck Wasser in der Kurve über dem Küchentresen und schaufelt Beine baumelnd seine Schoko-Cornflakes in sich hinein. Heute ist er gegen fünf Uhr morgens nach Hause gekommen. Diesmal hat er übrigens aus dem Fenster gekotzt. Aus dem vierten Stock.
    Mir ist auch ganz

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