Die Erfolgsmasche
Richtige! Wollen Sie nicht meine persönliche Modeberaterin sein?«
Irgendwie sehe ich ständig Szenen aus »Der Teufel trägt Prada« vor mir. Gedankenverloren stöckele ich durch die Säle
des Theresien-Theaters, treffe hier einen tot geglaubten Schauspieler und dort eine Rennfahrer-Gattin, grüße huldvoll einen Dschungel-Camp-Teilnehmer und winke einem Wetteransager, wobei ich ganz vergesse, dass er mich ja gar nicht kennt, auch wenn er jeden Abend in meinem Wohnzimmer ist.
In meinen kaum schmerzenden Lackstiefeln laufe ich die Treppe hinauf, an livrierten Portiers vorbei in den »VIP-Bereich«. Dazu berechtigt mich ein Bändchen am Handgelenk, das ich wegen meines Presseausweises bekommen habe. So gelange ich in eine weitere riesige Empfangshalle mit hohen, stuckverzierten Decken, Marmorfußboden und gigantischen, mit Blattgold überzogenen Pfeilern. Hier flanieren die wirklich Wichtigen, während stiernackige Bodyguards mit kahl rasierten Schädeln in ihre Manschetten sprechen. Na ja. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich einräumen, dass ich ziemlich beeindruckt bin.
Mensch, ist das nicht Mike Krüger, der da vorn am Buffet steht? Und dort, weiter links: Ist das nicht Verona Pooth? Sie sieht ja in Wirklichkeit noch fantastischer aus als in den bunten Blättern! Die hat sich ihre Klamotten bestimmt nicht geliehen! Oder ist so was in solchen Kreisen vielleicht sogar … üblich?
Ihr Outfit ist noch gewagter als meins! Das ist Glamour!
Hoffentlich will sie keine Kolumnen schreiben.
Sie dreht sich im Blitzlichtgewitter, und eine Agentin verteidigt sie gegen hartnäckige Reporter, die so plumpe Dinge fragen wie: »Was macht die Insolvenz Ihres Mannes?« Und: »Wie geht es Ihnen nach der Steuerfahndung?«
Die Agentin fährt ihre Krallen aus und zischt wie eine fauchende Katze: »Keine privaten Fragen. Frau Pooth ist hier als Schirmherrin des Vereins für Straßenkinder in Lima!«
Donnerwetter. Das muss ich mir merken. Ich schlendere weiter.
Unglaublich, da vorn steht Boris Becker! Er wirkt total gelangweilt und tut so, als hätte man ihn für viel Geld gezwungen, hier zu sein. Aber er ist es, leibhaftig! Mein Gott, bin ich froh, so perfekt angezogen zu sein. Nur schade, dass mich niemand zu erkennen scheint. Ich bin es doch, Sonja Rheinfall! Die bekannte Kolumnistin aus der Frauenliebe und Leben !
Na gut, seit einigen Wochen ist aus Versehen meine Kolumne nicht mehr drin, aber Sonja Rheinfall ist höchstpersönlich angereist, um das kleine Missverständnis aus der Welt zu räumen! Ich bin hier, um Frau Carmen Schneider-Basedow eine Chance zu geben.
Nach dem vierten Glas Champagner kommt es mir wirklich so vor. Ich bin keine kleine Bittstellerin mehr, die sich nur verkleidet hat. Huldvoll die Hüften schwingend, flaniere ich weiter. Spätestens seit der neuesten Kolumne von ihrer Freundin Corinna Regen muss die Basedow doch wissen, was sie an mir hatte. Die war so peinlich, dass ich mich wundere, woher sie die wirren Gedanken hatte: »Meine Freundin ist neulich durch ein Schlagloch beachtlichen Ausmaßes gebrettert«, schrieb Corinna Regen. »Nicht so gut. Dabei haben sich einige Teile vom Auto gelöst. Auch nicht so gut. Die Polizei hielt sie an, weil sie gerade ihr Handy am Ohr hatte. Ein Punkt und fünfzig Euro Bußgeld. Erst recht nicht gut. Ein Müllauto fuhr ihr hinten drauf. Schon überhaupt nicht gut. Aber was ist das Gute daran? Denn Goethe sagt, dass das Gute naheliegt. Und das tut es auch! Man muss nur genau hinschauen! Das Riesenschlagloch in der Straße hat mit dem strengen Winter zu tun, und dass es in Zeiten der Erderwärmung noch kalte Winter gibt, das ist doch gut, oder? Genießen Sie die Zeit!«
Also spätestens jetzt wird sich Carmen Schneider-Basedow insgeheim wünschen, mich zu treffen. Und ich werde sie versöhnlich anlächeln: »Irren ist menschlich! Lassen Sie Corinna Regen weiter ihre Hebamme spielen, und genießen Sie die Zeit!«
Wir werden uns mögen, das weiß ich genau. Ich schlucke den letzten Schluck Champagner hinunter und fühle mich ganz entspannt.
Oh. Oh Gott. Da vorne durch die Schwingtür kommt eine Frau, die hat das Gleiche, aber wirklich genau das Gleiche an wie ich. Dieses Tupfenkleid in Knallrot. Leider sieht es an der wasserstoffblonden Frau irgendwie aus wie ein Sack, und die Schleife auf dem Bauch wirkt so … trutschig! Dann dieser schwarz glänzende Gehrock, der die Hüften umspielen soll - erst recht ein Sack. Und diese Lackstiefel ! Das geht doch gar
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