Die Erfolgsmasche
Theresien-Theater. Auf der After-Show-Party. Und ich muss schon sagen: Ich sehe gut aus. Vielleicht findet Carmen Schneider-Basedow sogar Gefallen an mir. Ich meine, für einen männlichen Geschäftspartner hätte ich mich ja auch hübsch gemacht.
Der Kostümverleih in der Bergstraße hatte ganz irre Klamotten, wirklich der allerletzte Schrei.
Sie stammen aus ganz teuren Designer-Läden und sind irgendwie »zweite Wahl«, weil sie einen winzigen Fehler haben, den man aber gar nicht sieht.
Todesmutig habe ich mir ein zartseidenes Marc-Cain-Etuikleid in Knallrot mit schwarzen tropfenförmigen Tupfen geliehen, das eine raffinierte Schleife über der Taille hat, die den Bauch kaschiert. Dazu eine schwarz glänzende Jacke, die die Hüften bedeckt. Und, was ich mich sonst nie getraut hätte - schwarz glänzende Lackstiefel, die zwar einen ungewohnt hohen Absatz haben, aber wegen ihrer schlichten Form keinesfalls ordinär wirken, wie mir der smarte Verleiher glaubhaft versichert hat, sondern nur unglaublich lange, schlanke Beine machen. Mein ganzes Outfit wirkt gewagt und trotzdem elegant.
Eine irre Kombination.
Es kostet mich zwar wirklich Mut, so etwas Schrilles anzuziehen,
aber wie du kommst gegangen, so wirst du auch empfangen .
Wenn die wüssten, dass ich arbeitslos bin und vor Existenzsorgen kaum noch schlafen kann!
Ob es mir an der Nasenspitze anzusehen ist, wie sehr ich diese Kolumne brauche? Und dass mein Leben davon abhängt? Mir zittern die Knie. Unwillkürlich kneife ich die Pobacken zusammen: Auf die Dauer hilft nur Power. Mit einem Glas Beruhigungs-Champagner in der Hand schlendere ich betont lässig durch den sich langsam füllenden Saal im Theresien-Theater. Die Pressevorführung vorher habe ich mir gespart. Ich bin ja nicht wegen Corinna Regen hier, der SerienHebamme, die immer im unpassendsten Moment »genießen Sie die Zeit« schreibt, sondern um - rein zufällig natürlich, womöglich auf der Tanzfläche oder so - die neue Chefredakteurin der Frauenliebe und Leben zu treffen. Carmen Schneider-Basedow.
Und sie, ganz nebenbei, freundlich anzusprechen und zu sagen: »Hallo, was für ein Zufall, was machen Sie denn hier?« Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Vielleicht kommt sie strahlend auf mich zu und entschuldigt sich für ihr Verhalten? Vielleicht liegen wir uns schon in wenigen Minuten in den Armen?
Ich lehne dank eines zweiten oder dritten Champagners schon deutlich entspannter an einer Säule und betrachte mich gelassen im Spiegel. Vor meinem inneren Auge spielen sich wunderschöne Szenen und Dialoge ab.
Die Basedow wird errötend ihre Hand auf meinen Arm legen und sagen: »Ach, sind Sie es wirklich? Frau Rheinfall! Endlich treffe ich Sie. Großartig sehen Sie aus! Sie beschämen mich. Wissen Sie, ich habe es schon gar nicht mehr gewagt ,
Sie anzurufen. Ich stehe tief in Ihrer Schuld. Ihre großartige Kolumne, das Herzstück unserer Zeitung … also, die wollte ich eigentlich von zwei auf vier Seiten erweitern. Es war natürlich unverzeihlich von mir, mich überhaupt nicht bei Ihnen zu melden. Aber bitte bedenken Sie, dass ich mich erst einarbeiten musste in das neue Blatt. Und mein Umzug von München nach Hamburg hat mich auch so mitgenommen, dass ich Sie noch gar nicht anrufen konnte. Also, letztlich muss ich gestehen: Ich habe überhaupt noch kein Telefon.«
Dann werde ich meine frisch manikürten Finger auf ihren Arm legen und versöhnlich sagen: »So was kann doch mal passieren. Sie haben den Job ja auch ganz überraschend bekommen, nicht wahr?«
»Ja«, wird sie dann stammeln, »auf einmal Chefredakteurin, das ist wie ›Plötzlich Prinzessin‹ - dann stehen Sie da und wissen gar nicht, wie Ihnen geschieht! Gestern noch eine kleine Reportermaus für das Konkurrenzblatt, und heute beziehe ich das Chefbüro.« Sie wird verlegen lachen und mit der Hand vor dem Gesicht herumwedeln. »Das stank ja dermaßen nach abgestandenem Zigarrenrauch, dass ich es erst komplett renovieren lassen musste. Ach ja, der gute alte Robert Schumann, so ein lieber Kerl, der ist ja leider an den Folgen seines Zigarrenkonsums … Ach, das wussten Sie noch gar nicht? Ja, die Beerdigung und das Trösten seiner Witwe, das hat mich alles so viel Nerven gekostet, dass ich … Und jetzt treffe ich Sie hier, was für ein Glücksfall. Und wie zielsicher Sie modisch ins Schwarze getroffen haben! Welch Glanz und Glamour in unserer altbackenen Hausfrauenhütte! Sie sind die
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