Die Erfolgsmasche
nicht, mein Gott das sieht ja total ordinär aus! Wie sie da Arm in Arm mit dieser Schauspielerin … sehe ich wirklich genauso geschmacklos aus?
Oh Gott. Mach, dass es nicht die Serienhebamme ist. Corinna Regen.
Wieso flitzen alle Fotografen auf die beiden zu und fotografieren sie ohne Ende? Weil es Corinna Regen ist.
Dann ist die Frau, die das Gleiche anhat wie ich … Carmen Schneider-Basedow.
Oh. Nicht gut. Gar nicht gut. Los, Goethe. Dein Stichwort. Irgendwas muss gut sein an dieser Situation!
Ich stehe da wie zur Salzsäule erstarrt und verkrampfe meine Finger um das Champagnerglas, das wahrscheinlich gleich zerspringen wird.
Die beiden Damen sonnen sich im Blitzlichtgewitter, drehen und wenden sich, haken einander kokett unter und vollführen einen Nasen-Kuss, wobei Corinna Regens Nase infolge
der vielen Operationen eher aussieht wie ein abgebrochener Korken. Oh. Ich glaube … schluck. Sie hat mich gesehen. Carmen Schneider-Basedow hat mich gesehen. Gut. Oder nicht gut?
Sie hat mich … Wieso strebt die denn jetzt plötzlich in eine ganz andere Richtung? Gar nicht gut. Wieso zieht sie ihre Busenfreundin mit einer solchen Vehemenz in Richtung Buffet? Ich meine, die muss mich doch erkannt haben. Aber sie mag nicht, was ich anhabe. Weil es mir leider besser steht als ihr. Erst recht nicht gut.
Ziemlich betreten stehe ich da und beobachte, wie die Kamerateams abziehen, die Scheinwerfer ausgehen und Carmen und Corinna sich tuschelnd über die Vorspeisen beugen. Ich höre sie förmlich zischen: »Guck nicht hin, aber da steht …«
Natürlich guckt sie. Sie wirkt irgendwie … entsetzt.
Na, das wollen wir doch mal sehen. Ich wäre doch nicht Sonja Rheinfall, wenn ich nicht …
Entschlossen stelle ich mein Glas irgendwo ab und schreite auf fast nicht umknickenden Lackstiefeln zu ihnen hinüber.
»Oh, hallo! Na, so ein Zufall! Wir haben das Gleiche an!« Gut oder nicht gut?
Ich habe mich unfein in die Vorspeisen-Schlange gedrängt, mir zur Tarnung auch ein paar Artischockenherzen und gefüllte Pilze auf meinen Teller gelegt, und nun stehen wir dicht nebeneinander. Sie riecht sehr aufdringlich nach einem teuren Parfum, von dem ich Kopfschmerzen bekomme. Neben ihr arbeitet sich Corinna, die Serienhebamme, dem Ende der Vorspeisen entgegen. Sie flirtet gerade mit einem diensteifrigen Koch, der ihr irgendein Sahnemeerrettichtörtchen aufschwatzen will.
»Genießen Sie die Zeit«, rufe ich ihr jovial zu. »Das ist doch der Leitspruch Ihrer neuen Kolumne, nicht wahr?!«
Die Basedow rührt mit einem großen Schöpflöffel in einer japanischen Sauce.
»Kennen wir uns?«, fragt sie spitz.
»Nein, aber wir sollten uns kennenlernen!« Ich lache kokett und zeige auf unsere Teller, auf denen fast das Gleiche liegt: »Offensichtlich haben wir denselben Geschmack!«
»Wieso?«, kommt es ziemlich schneidend von ihr, während der Koch sein Sprüchlein aufsagt: »Das ist ein Sahnemeerrettichtörtchen mit einem Hauch von Gurken-Knoblauch-Zimtschnecken-Kampf-Aroma …«
Ähhh, was ? Nein, das hat er nicht wirklich gesagt. Das, was er gesagt hat, ist an meinem Ohr vorbeigeflogen. Ich habe es sozusagen rausgefiltert. Wichtig ist doch nur, wie der Dialog mit der - inzwischen sichtbar verunsicherten! - Chefredakteurin weitergeht. Ich mache einen weiteren schwesterlichen Vorstoß:
»Na ja, wir haben die gleichen Klamotten an und das Gleiche auf dem Teller! Ich bin überzeugt, dass wir auch für Frauenliebe und Leben das Gleiche wollen.«
Corinna tritt einen Schritt beiseite und ignoriert den Knecht, der ihr das Brotkörbchen reichen will: »Carmen, ich geh dann mal zum Tisch. Vergiss nicht, wir werden erwartet.«
»Sofort«, sagt Carmen. »Ich bin in einer Sekunde bei dir.« Sie könnte mich ja auch ganz nett fragen, ob ich Lust habe, mit an ihren Tisch zu kommen, aber das tut sie nicht. Im Hintergrund bauen sich eilig ein paar Kameraleute auf, und plötzlich stehen wir im hellen Scheinwerferlicht.
O Mist. Ich glaube, sie filmen uns. Gut oder nicht gut?
»Dieselben Klamotten«, ruft jemand, und schon geht das Blitzlichtgewitter los. »Haargenau dasselbe Outfit. Frau
Schneider-Basedow, wo haben Sie Ihr heutiges Gewand gekauft?«
»Das geht Sie nichts an«, blafft Carmen unfreundlich und versucht zu fliehen.
»Wir sollten über meine Kolumne reden«, sage ich mit fester Stimme, während ich froh in die Kameras grinse und kokett winke. Ich halte sie an der Schleife ihres Kleides fest, und die Kameras zoomen noch
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