Die Erfolgsmasche
nur die Reinigung und eine Leihgebühr.«
In dem Moment poltert es hinter der Küchentür, dann
wird diese auch schon aufgerissen: Aha, meine liebreizende Tochter Greta ist erwacht. Und ihr Klon auch. Komisch, dass junge Mädchen nur im Film nett angezogen und gekämmt sind, wenn sie am Frühstückstisch erscheinen. Greta hat wieder ihr Lieblings-T-Shirt an, dazu meine seit langem vermissten Sportshorts. Barfuß lässt sie sich an den Küchentisch fallen. Der Klon schleicht hinterher. In meinem T-Shirt und meiner Seidenschlafanzughose, nach der ich auch schon ewig suche.
Ich könnte ja mal ein bisschen schimpfen und rummotzen. Aber dazu fehlt mir die Kraft.
»Was geht ab?« Lasziv wirft Greta den Kopf nach hinten und streicht sich die langen blonden Haare betont auffällig hinter die Ohren.
Mein Gott! Wer hat denn mein Kind so zugerichtet? Was sind das für tiefrote Wunden an ihrem sonst so makellosen Mädchenhals, um den ich sie immer so beneide? Sind das etwa Knutschflecken?
Der Klon hat auch welche!!
Mein Gott! Sie sind geradezu übersät mit Knutschflecken!
»Was glotzt du so?«, fragt Greta mit trotzig-triumphierendem Unterton.
Tja, den Gefallen habe ich ihr allerdings zur Genüge getan. Ich habe tatsächlich geglotzt.
Der Klon kichert.
»Oh!«, sage ich freundlich. »Knutschflecken!« Und zwar wie bei Loriot, Ein Klavier, ein Klavier !
»Ich geh dann mal lieber«, sagt Alex, verdreht die Augen und gibt mir einen Kuss auf die Wange. »War ein netter Morgen, Mama.« Und mit einem Seitenblick auf seine Schwester: »Bis jetzt.« Damit verschwindet er im Bad.
»Was ist denn an einem Knutschfleck so besonders?«, geht
Greta freudig erregt auf meine Bemerkung ein. »Wohl selbst noch nie einen gehabt?«
»Doch«, gebe ich frustriert zu, und sofort führen wir Frauengespräche. »Tilman Zakowski. Evangelisches Gemeindehaus. An einem verregneten Samstag, als die Kirchenchorprobe ausfiel und wir das als Einzige nicht mitbekommen hatten.«
Greta und ihr Klon lachen sich kaputt. »Wie uncool!« Dann rutschen sie begeistert auf der Küchenbank zusammen: »Los, erzähl, Mama!«
Die Situation ist entschärft. Mein eigenes Elend in den Hintergrund gerückt. Während ich den beiden Mädels ihre Cornflakes vor die Nase stelle und ihnen Kakao mache, erzähle ich grinsend, in schaurig-schöne Erinnerungen versunken:
»Meine Eltern wähnten mich in der Kirchenchorprobe. Das waren die einzigen zwei Stunden in der Woche, in denen ich ausgehen durfte. Die wollte ich nicht sinnlos verstreichen lassen. Also verbrachten wir die ausgefallene Probe im ›Freizeitraum‹ im Keller auf ausrangierten alten Matratzen neben der Tischtennisplatte.« Ich räuspere mich. »Na ja.« Unwillkürlich reibe ich mir das Ohrläppchen. »Ähm. Gut. Wollt ihr noch Milch?«
»Erzähl, was habt ihr gemacht?!«
»Na ja, das Übliche halt.«
»Hahaha, das glaube ich dir nicht, Mama. Du weißt ja gar nicht, was üblich ist!«
»Also, wir haben höchstens ein bisschen …«
»Geknutscht?«
»Klar. Ein bisschen.«
»Mit Zunge?«
»Ich glaube, er hat sie mir ins Ohr gesteckt.«
»IIiiiiihhhhh!« Greta und der Klon quietschen.
»Das waren noch Zeiten.«
»Oh Mama, bist du peinlich«, kichert Greta. Sie und der Klon amüsieren sich köstlich.
»Was hat denn deine Mutter dazu gesagt?«, will Greta wissen. »Bestimmt hat sie dir eine geknallt.«
»Hätte sie. Und mich als Flittchen beschimpft. Wenn ich ihr meinen Knutschfleck so provokant vorgeführt hätte wie du. Aber wozu gibt es Rollkragenpullover?«
»Oh, du arme, verklemmte, spießige Mami, du«, sagt Greta lachend, und damit ist die feierliche Knutschfleckenenthüllung beendet. Der Klon tippt inzwischen mit fliegenden Fingern eine SMS in sein Handy, und Greta nimmt mich in den Arm: »Mami, bin ich froh, dass du so cool bist und nicht dauernd rumschimpfst!«
»Na ja«, sage ich milde und halte meine Tochter auf Armeslänge von mir ab: »Manchmal fehlt mir einfach die Kraft dazu.« Wackelt meine Stimme etwa schon wieder? Werden meine Augen feucht, und kribbelt es mir in der Nase?
»Och, du liebe Mami, du …« Greta schmiegt ihre weiche, runde Mädchenwange an mein sorgenzerfurchtes Gesicht. »Sei nicht traurig, wir lieben dich ganz doll und wissen auch, was du alles für uns tust. Die Toni liebt dich auch und will nur noch bei dir wohnen. Weil du so süß und chaotisch bist.«
Aha. Das war wohl jetzt ein Kompliment.
6
So. Ich habe mich getraut. Ich bin hier. In München. Im
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