Die Erfolgsmasche
Leben ist nicht das Sozialamt. Suchen Sie sich einen anderen Job.«
»Frau Dauer, ich habe über zwanzig Absagen bekommen!«
»Das ist nicht mein Problem.«
Plötzlich haut Alex mit beiden Handflächen auf den Küchentresen und schreit: »Wie reden Sie denn mit meiner Mutter, Sie blöde Kuh? Schlecht gefickt oder was?!«
»Psssst«, mache ich verzweifelt. Sein Vokabular ist unserem Gespräch nicht gerade zuträglich!
Benommen flüstere ich in den Hörer: »Können Sie mir denn nicht wenigstens sagen, warum?! Zumindest eine Erklärung sind Sie mir schuldig! Man hätte mich vorwarnen können …«
Mir versagt die Stimme. Jetzt heule ich doch. Verdammt. Das wollte ich nicht. Ich kneife die Lippen zusammen, lasse die Tränen kullern, spreche aber weiter: »Mir noch eine Frist geben, die letzten Folgen ankündigen. Ich habe doch keine silbernen Löffel geklaut oder so was!«, höre ich mich schluchzen.
Jetzt ist auch alles egal. Soll die Dauer ruhig hören, dass ich verzweifelt bin. Ich starre tränenblind auf die Küchenwand, an der die Kochlöffel hängen, das Teesieb, das Zwiebelnetz und die Topflappen. Auf unsere kleine heile Welt, die ich mithilfe dieser Kolumne erhalten konnte. Auf einmal gerät das alles ins Wanken! Durch so eine kaltherzige Chefredakteurin, die jetzt die Macht hat und es nicht mal für nötig hält, ausrangierte Mitarbeiter mit einem Wort des Abschieds zu bedenken.
»Ich gebe Ihnen jetzt mal einen kleinen Tipp«, flüstert Frau Dauer plötzlich am andern Ende der Leitung, und ich kann förmlich hören, wie sie sich heimlich umschaut und die Sprechmuschel mit den Händen abdeckt. »Haben Sie was zu schreiben?«
Mit klopfendem Herzen greife ich zum Einkaufszettel, den ich morgen mit zum Eurospar in der Sterneckstraße nehmen wollte.
»Am nächsten Samstagabend ist eine Pressevorstellung der nächsten Kinderklinik-Staffel im Theresien-Theater in München. Sie haben doch einen Presseausweis.«
»Ja, aber ich verstehe nicht …«
»Unsere neue Chefredakteurin Frau Schneider-Basedow wird dort in Begleitung der Schauspielerin Corinna Regen anwesend sein. Nachher steigt die After-Show-Party. Ich meine ja nur. Man könnte sich ja rein zufällig begegnen, ganz unverbindlich bei einem Glas Wein ins Gespräch kommen. Vielleicht ist man sich ja sympathisch. Frau Schneider-Basedow mag hübsche Frauen.«
Es wird mucksmäuschenstill in der Küche. Sogar Alex, der jedes Wort mitgehört hat, macht keinerlei Zwischenbemerkung. Nervös zerknülle ich den Einkaufszettel, auf den ich »Theresien-Theater München, After-Show-Party« geschrieben habe. Das Papierknäuel wandert von einer Hand in die andere.
»Und noch ein Tipp«, sagt Frau Dauer in die Stille hinein. »Hübschen Sie sich extrem auf. Frau Schneider-Basedow will Glanz und Glamour. Stylen Sie sich auffällig, ziehen Sie alle Blicke auf sich. Machen Sie bloß nicht auf bescheidenes Mäuschen.«
»Ich weiß nicht«, antworte ich schließlich verstört. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich meinen persönlichen Stil wirklich verleugnen will …«
Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Habe ich denn so wenig Stolz, dass ich dieser Chefredakteurin, die ihrerseits Prominenten in den Hintern kriecht, »zufällig auf einer Party« begegne? Und mich dafür auch noch verkleide? Das ist so gar nicht meine Art! Ich habe mich schon wahnsinnig aufraffen müssen, überhaupt hinter dieser Frau herzutelefonieren!
Alex sieht mich nur an und steckt sich symbolisch zwei Finger in den Mund. Oh nein. Bitte nicht schon wieder!
»Das werde ich nicht machen«, sage ich und richte mich auf. »Ich werde mich nicht verbiegen. Ich bin Autorin, keine Mode-Tussi.«
»Sie machen das«, sagt Frau Dauer plötzlich in ihrem altbekannten, derben Tonfall. »Nur die Harten komm’ in’ Garten!«
»Aber Frau Dauer …«
»Auf die Dauer hilft nur Power«, unterbricht mich Frau Dauer, und dann ist die Leitung plötzlich unterbrochen.
Ich bin total baff. Wortlos starre ich Alex an, der sich durch den zerstrubbelten Haarschopf fährt:
»Was ging denn da ab? - Besetzungscouch oder was?«
»Wo soll ich denn bloß diese extravaganten Klamotten hernehmen? Und vor allem: Wovon soll ich sie bezahlen?«
»Mami, es gibt doch diesen Kostümverleih in der Bergstraße«, sagt Alex. »Versuch es einfach dort!«
»Haben die denn Abendgarderobe?«
»Ja klar! Das weiß ich von all den Mädels von den Abibällen! Die holen sich da für jeden Abend einen anderen Fummel! Bezahlen muss man
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