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Die Erfolgsmasche

Titel: Die Erfolgsmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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gesagt!«
    Ich werfe einen raschen Blick auf die goldene Wanduhr, die über dem Flügel hängt. Fünf vor halb elf. Dann erstarre ich wie vom Donner gerührt: An derselben Wand hängt das Bild! Das Bild!!! Von Sebastian Richter! Da ist er! Ich habe ihn gefunden!
    Mit offenem Mund starre ich darauf. Mein Herz rast. Mir wird ganz anders. Hier wohnt er also! Und das ist seine Frau! Aus irgendeinem Grund erwartet sie mich.
    »Oh«, entfährt es mir. »So spät schon! Ja, ich hatte nicht mit diesem weiten Weg gerechnet …«
    »Das Gut Teufelberg ist doch bekannt«, näselt sie mit tadelndem Unterton. »Wie kann man sich denn da verfahren?« Endlich dreht sie sich zu mir um. Sie sieht eigentlich ganz hübsch aus. Sommersprossig, verletzlich, durchsichtig. Sie wirkt angenehm überrascht und sagt: »So habe ich mir eine Klavierlehrerin gar nicht vorgestellt!«
    Sie hält mich für eine Klavierlehrerin! Einfach lächerlich. Ich muss das richtigstellen. Ich räuspere mich. »Ich mir auch nicht«, will ich das Missverständnis gerade aus dem Weg räumen, als sie schon mit der Hand neben sich auf den langen Klavierschemel klopft:

    »Na los. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.«
    Bevor ich auch nur den Mund aufmachen kann, zupft sie mich am Ärmel.
    »Kommen Sie schon. Ich beiße nicht.« Ich blicke mich um und versuche einen klaren Gedanken zu fassen. Er ist hier! Er wohnt hier! Er kommt jeden Moment um die Ecke! Oh Gott. Meine Beine zittern. Was soll ich nur zu ihm sagen?
    Sie sind der Mann, der mir den Arsch gerettet hat und der mich den Kopf kosten wird. Sie sind meine Erfolgsmasche. Wie heißen Sie eigentlich wirklich? Lesen Sie nie die Frauenliebe und Leben ? Sie hängen in Hamburg an jeder Litfasssäule! Ich habe Sie benutzt, und jetzt müssen Sie mitspielen! Ich flehe Sie an! Meine Existenz hängt davon ab!
    »Auf was warten Sie denn? Oder brauchen Sie erst was zu trinken?«, reißt mich die rothaarige Baronin aus meinen Gedanken.
    Ich schüttle verwirrt den Kopf.
    »Komm, Jacob, mach der Dame Platz.«
    Erst jetzt sehe ich, dass eine Art Eichhörnchen - oder was ist das für ein Tier mit buschigem Schwanz? - nüsschenknabbernd neben ihr auf dem Klavierschemel sitzt. Es trippelt über die schwarzen Tasten davon. Das klingt wie Béla Bartók. Wie in Trance gehe ich auf sie zu und schiebe mich mit einer Pobacke zaghaft neben sie. »Ja, dann hallo erst mal.« Es gelingt mir sogar, ein wenig freudige Erwartung in meine Stimme zu legen. Ich reiche ihr die Hand, und sie legt ihre eiskalten weißen Finger in meine. »Schön, Sie kennenzulernen.«
    »Ja, ganz meinerseits.« Die Frau lächelt mich kühl an. »Jetzt können wir endlich mit dem lang ersehnten Unterricht beginnen.«
    Sie wirkt wie eine verzauberte Elfe, wie nicht ganz von dieser Welt. Ihr seltsam betörendes Parfum weht zu mir herüber.
Ganz benommen lasse ich meinen Blick schweifen: Der große Salon grenzt an einen sonnigen Wintergarten, in dem einige Hühner und ihre Küken sanft piepsend herumtrippeln. Direkt bei uns rekelt sich etwa ein Dutzend Katzen auf brokatüberzogenen Sesseln und Sofas.
    »Sie tun ja so, als hätten Sie noch nie ein Klavier gesehen«, sagt die Baronin mit ihrer seltsam hohen, nasalen Stimme.
    »Was für ein wunderschöner Flügel«, staune ich, nachdem das Eichhörnchen an ihm heruntergekrabbelt ist.
    Sie betrachtet ihn ohne großes Interesse. »Den hat mein Mann hier stehen lassen«, erklärt sie mir.
    Mein Herz fängt an zu klopfen: Sebastian Richter! Wenn er ihn stehen gelassen hat, ist er womöglich … ausgezogen? Vielleicht wollte er sein Reich nicht mehr mit den vielen Viechern teilen? Ich kann mich vor Aufregung kaum auf dem Klavierschemel halten. Plötzlich wird mir bewusst, auf welch dünnem Eis ich mich hier bewege. Ich täusche etwas vor, das ich gar nicht bin! Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich muss mitspielen. Im wahrsten Sinn des Wortes.
    Ich schaue sie von der Seite an: »Ja, ähm, ich sollte mich wohl erst mal vorstellen …«
    »Hatten Sie Ihren Namen nicht schon am Telefon genannt?« Sie streicht sich eine widerspenstige rote Strähne aus der Stirn und greift nach einem goldenen Notizbuch, das auf dem Flügel liegt. An ihrem Ringfinger steckt kein Ring.
    »Sonja Rheinfall«, stammele ich verwirrt. »Das steht da wahrscheinlich nicht drin.«
    »Na, dann werde ich Sie Sonja nennen, wenn Sie nichts dagegen haben.« Sie lächelt ein bisschen, und ich erkenne feine Fältchen um die Mundwinkel.
    »Ich glaube, Sie

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