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Die Erfolgsmasche

Titel: Die Erfolgsmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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mir nicht wieder mein Leben kaputt machen. Meine Erfolgsmasche hat bis jetzt funktioniert. Ich kann schreiben. Alle sind begeistert. Von der Kolumne und demnächst auch von dem Musical. Und wenn sie es nicht von einer Frau wollen, dann kriegen sie es von einem Mann. Und zwar von diesem Mann. Auch wenn der von seinem Glück noch gar nichts weiß. Lieber Gott, mach, dass er kein Ausländer
ist, der gar kein Deutsch versteht. Oder den Dativ mit dem Akkusativ verwechselt. Lass ihn Abitur haben. Oder wenigstens mittlere Reife. Er muss immerhin Interviews geben! Er muss eloquent sein, sprühen vor Charme und Witz!
    Auch wenn das Foto schon ein paar Jahre alt sein sollte: Der Typ lebt doch hoffentlich noch und ist zwischenzeitlich nicht fett und glatzköpfig? Ich muss ihn finden. Ich muss wissen, wer dieser Mann ist.
    Mit hängenden Schultern schleiche ich also wieder in den Fotoladen.
    Der alte Mann im weißen Kittel staubt gerade seine Schaufensterauslagen ab. Etwas Besseres scheint er nicht zu tun zu haben. Das Fotogeschäft geht schlecht. Die Leute machen sich heutzutage ihre Fotos mithilfe von Digitalkameras und Computerprogrammen selbst. Er ist richtig erfreut, dass überhaupt jemand seinen Laden betritt.
    »Oh, hallo, schönes Fräulein. Was kann ich für Sie tun?« Er sieht mich forschend an.
    Das schöne Fräulein windet sich ein wenig, bevor es spricht: »Sie könnten mir sagen, wer der Mann auf dem Foto ist.« Ich ziehe das Foto aus meiner Handtasche und halte es ihm vor die kurzsichtigen Augen. Er betrachtet es blinzelnd in gebückter Haltung.
    Unmöglich. Er wird es mir nicht sagen. Der Verkäufer stellt sich gerade hin und mustert mich: »Es ist also gar nicht Ihr Mann?«
    »Nein«, muss ich zugeben. »Leider. Ich kenne den Mann überhaupt nicht.« Ich hypnotisiere ihn förmlich mit meinen Blicken. »Aber ich möchte ihn dringend kennenlernen«, stoße ich schließlich hervor. Es ist vollkommen still in dem Laden. Nur eine Fliege summt ratlos zwischen den angestaubten Bildern herum.

    »Hm.« Das alte Fotografenmännlein runzelt die Stirn und stößt ein meckerndes Lachen aus. »Dann hätte ich es Ihnen gar nicht verkaufen dürfen.« Ratlos stellt er eines der Fotos wieder in das Schaufenster zurück.
    »Wahrscheinlich nicht«, gestehe ich zerknirscht.
    »Geben Sie es einfach wieder her«, schlägt der alte Mann vor und lächelt mich verständnisvoll an. Er streckt die Hand danach aus. »Ich stelle es zurück ins Fenster, und wir tun so, als wäre nichts passiert.« Verzweifelt muss ich mitansehen, wie er das Foto wieder ins Fenster stellt.
    Mein Foto! Meinen Sebastian Richter! Der bereits auf Tausenden von Autogrammkarten in deutschen Haushalten auf der Kommode steht! Der in Poesiealben klebt, unter Kopfkissen liegt und demnächst in Hamburg unzählige Litfasssäulen zieren wird! Zu meinem Entsetzen stelle ich fest, dass mir die Tränen in den Augen stehen. Keine Ahnung, wo die so plötzlich herkommen.
    »Es ist aber leider was passiert«, sage ich kleinlaut. Ich weiß nicht, wie ich dieses heikle Thema ansprechen soll! Wie kann ich das nur erklären?
    »Sie haben sich in ihn verliebt.« Der Verkäufer stemmt die Hände in die Hüften und schaut mich lächelnd an. »Und das kann ich sogar verstehen. Obwohl ich ein Mann bin.« Er stößt einen hingebungsvollen Seufzer aus. »Ich war auch mal jung, müssen Sie wissen …«
    »Na ja«, sage ich und schaue verlegen zu Boden. »Wenn es nur das wäre …«
    »Ich habe nämlich nachgedacht.« Der Verkäufer geht nun um seinen Tresen herum und setzt sich schwer atmend auf einen Stuhl. »Die Frau, die das Bild vor Jahren in Auftrag gegeben hat, sah Ihnen überhaupt nicht ähnlich.« Er wischt sich über die Stirn.

    Ich starre ihn gebannt an. Sofort schrillen bei mir sämtliche Alarmglocken los. »Sie erinnern sich, wer das Bild in Auftrag gegeben hat?«
    »Tja!« Der Mann erhebt sich mühsam wieder, öffnet eine Schublade und entnimmt ihr eine eselsohrige, speckige Kladde. »Eigentlich darf ich Ihnen überhaupt keine Auskunft geben. Aber ich sehe ja, dass es eine Herzensangelegenheit für Sie ist.« Er schaut mich verständnisvoll über seine Brille hinweg an. »Aber der Mann ist verheiratet. Kindchen, machen Sie sich doch nicht unglücklich! Oder sind Sie … in Erwartung?«
    Ich möchte laut auflachen. Ich halte die Luft an, denn eine Art von Hysterie keimt in mir auf, aber ich kämpfe sie tapfer nieder. »Nein, nein. Ich bin nicht schwanger. Ich würde nur gern

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