Die Erfolgsmasche
erwarten jemand anderen …«, hebe ich an, aber sie fällt mir ins Wort:
»Am besten spiele ich Ihnen vor, was ich schon kann.« Sie legt ihre schmalen Finger auf die Tasten und beginnt, abgehackt und laut darauf herumzuhämmern.
Auch wenn ich keine Klavierlehrerin bin, kann ich doch nach drei schiefen Tönen feststellen, dass die gute Baronin eine blutige Anfängerin ist. Und noch dazu völlig unmusikalisch. Was das für eine Melodie sein soll, kann ich beim besten Willen nicht erkennen.
»Ähm, ich weiß nicht …« Unruhig rutsche ich auf dem Lederschemel herum. Eigentlich müsste ich der adeligen Dame spätestens jetzt verraten, warum ich hier bin! Mehrmals hole ich Luft, weiß aber nicht, was ich sagen soll.
Sie spielt unverdrossen weiter, wobei ich fast den Eindruck gewinne, dass sie sich die blanke Wut von der Seele spielt. Vielleicht ist sie wirklich so sauer, dass ich mich verspätet habe? Eine Baronin lässt man nicht warten! Ich sollte ihr wirklich erklären, dass ich …
»So.« Die Baronin hört auf zu klimpern und schaut mich erwartungsvoll an.
»Wie fanden Sie das?«
»Ähm … ich muss sagen, da war schon viel Schönes dran.« Schluck. Ich bin eine miserable Lügnerin. Mir schießt die Röte ins Gesicht. Ich glaube, ich möchte lieber wieder über das Schwein steigen und davoneilen.
»Nein«, sagt sie streng. »Das war grauenvoll.«
Aus dem Flur ertönt ein bestätigendes »Wurk!«.
»Das findet sogar Eduard«, sagt sie. »Und der ist sehr musikalisch.«
Ich fahre mir über die Stirn. »Nun, wenn Sie meine Meinung hören wollen …«
»Natürlich! Schließlich sind Sie vom Fach!«
»Das ist natürlich noch sehr ausbaufähig«, wage ich
schließlich zu sagen. »Das klang ein bisschen … aggressiv. Man müsste mehr legato spielen. Und mezzopiano.«
Huch! Was fallen mir denn da auf einmal für Worte ein? Gut, ich habe ein paar Jahre lang im Chor gesungen, offensichtlich sind ein paar Grundbegriffe hängen geblieben. Nun gut. Das ist meine Chance! Ich verleihe meiner Stimme so etwas wie Autorität. »Wo sind denn überhaupt die Noten dazu?«
»Hier!« Sie greift über meinen Kopf hinweg nach einem Notenstapel. Ein Huhn, das ich bis jetzt noch gar nicht bemerkt habe, flattert erschrocken auf.
Mit einem Blick stelle ich fest, dass es sich um eine Klavierschule für Erwachsene handelt, einschließlich CD. Die ist aber noch originalverpackt. Ich habe den hässlichen Verdacht, dass die Baronin darauf wartet, dass ich anfange zu spielen.
»Haben Sie sich das alles selbst beigebracht?«, frage ich, um Zeit zu gewinnen.
»Ja. Ich bin Autodidaktin. Richard hat es immer abgelehnt, mit mir zu arbeiten.«
Richard. Er heißt Richard!!! Mein Herz macht Purzelbäume.
»Ist … ähm … Richard …?«, frage ich schüchtern.
»Mein Mann. Also, mein … getrennt lebender Mann. Die Scheidung ist nur noch reine Formsache.«
Er ist frei! Ich kann’s nicht fassen!
»Und kann er Klavier spielen?«
Sie wirft mir einen gereizten Blick zu. »Er ist Musiker.«
»Und was … ähm … für ein Instrument?« Mein Herz will sich gar nicht wieder beruhigen.
»Klavier«, sagt sie plötzlich mit einem süßsäuerlichen Unterton. »Er ist Korrepetitor bei den Salzburger Festspielen. Er arbeitet mit den Sängern vom Chor. Besonders mit den Damen.
Die sind ihm alle rettungslos …, aber was plaudere ich da aus dem Nähkästchen. Er sieht gut aus. Sehen Sie ja.« Sie zeigt mit ihren filigranen Fingern auf das Bild an der Wand. »Aber mit mir und meinen Tieren hatte er keine Geduld. Es muss immer die hohe Kunst sein.«
Ich staune sie an. Mein Mund will sich gar nicht mehr schließen! Ich habe ihn! Er arbeitet am Festspielhaus! Er lebt in Scheidung! Ich merke, wie mein ganzes Gesicht anfängt zu prickeln.
Sie runzelt die Stirn. »Was starren Sie mich denn so an? Sind Sie etwa … Haben Sie etwa … Kennen Sie meinen Mann? «
Oje. Sie glaubt, ich habe was mit ihm. Womöglich denkt sie, ich sei hergekommen, um mir meine Rivalin anzusehen. Ich hole tief Luft, um zu protestieren, und mache den Mund wieder zu.
»Nein«, sage ich schließlich mit belegter Stimme. »Ich kenne ihn nicht. Ehrlich. Ich … ähm … bin ihm noch nie begegnet.« Ich versuche, das rechte Maß an Gleichmut in meine Stimme zu legen. »Ich fragte nur so … interessehalber.«
» Was fragten Sie interessehalber?« Ihre Stimme klingt nun schneidend.
»Also, ehrlich gesagt, interessiert es mich, warum Sie Klavier lernen wollen.«
Boh.
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