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Die Erfolgsmasche

Titel: Die Erfolgsmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Haarschnitt.
    »Ja, genau«, quietscht eine Mollige in Samt, »die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend!«
    »Sebastian Richter!«, hallt es im Chor.
    Ich sterbe. Die müssen doch sehen, dass mein Kopf rot ist wie eine Tomate? Mir wird plötzlich unerträglich heiß in diesem vollgestopften Aufzug.
    »Nein, der heißt Berkenbusch. Richard Berkenbusch. Steht ja im Programmheft. Sieht dem Schreiberling aber täuschend ähnlich, das finde ich auch.«
    »Einer so süß wie der andere. George Clooney für Arme!«
    Jetzt reden und lachen sie alle durcheinander. Ich zwinge mich, den Blick nicht zu heben. In meinen Ohren rauscht es. Bevor ich einen klaren Gedanken fassen kann, öffnet sich die Fahrstuhltür wieder. Wir sind im fünften Stock. Unsanft werde ich aus dem Aufzug gedrängelt.
    »Hier entlang, der Chorsaal ist hinten links! Toiletten sind rechts!«
    Zusammen mit dem schwatzenden, lachenden Weiberhaufen werde ich in einen großen Saal gespült.
    Hier sieht es aus wie in einer Schulklasse aus dem Heimatmuseum. Lauter Reihen mit alten Holzbänken, ganz vorne steht ein Flügel. Die Damen verteilen sich gackernd. Ich bleibe
zunächst ratlos stehen, fasse mir dann aber ein Herz und schiebe mich wie selbstverständlich in die vorletzte Reihe neben eine Rothaarige, die mir sofort eine Lutschpastille anbietet.
    »Erster oder zweiter Alt?«
    »Ähm, und Sie?«
    »Zweiter.«
    »Ich auch«, höre ich mich sagen.
    Was mache ich nur? Jetzt komme ich aus der Nummer endgültig nicht mehr raus!
    »Wir können ruhig du sagen. Tun doch alle. Ich bin Anne Marie.«
    »Sonja«, sage ich in das allgemeine Summen und Singen hinein.
    Plötzlich wird es vollkommen still.
    Alle Köpfe wenden sich dem Eingang zu. Die Tür, die sich nun hinter dem Chordirektor schließt, verschwimmt vor meinen Augen.
    Da steht er. Er ist noch viel schöner als auf dem Bild - er ist der Hammer !
    Richard Berkenbusch.
    Mein Sebastian Richter.
     
    Mein Herz zieht sich sehnsüchtig zusammen. Er trägt ein weißes Hemd über der knackig sitzenden Jeans und betritt mit federnden Schritten den Raum. Wahrscheinlich gaffen ihn jetzt vierzig verknallte Chordamen mit offenen Mündern an. Sein Gesicht ist mir so vertraut, als wären er und ich schon lange ein Paar. Und das sind wir ja auch - also im weitesten Sinne!
    Wenn du wüsstest, Richard!
    Oh Gott, mich überkommt eine Hitzewallung. Ich spüre, wie das Blut in meinen Schläfen pulsiert. Warum schaut er
nicht zu mir hin? Er muss mich doch längst erkannt haben? Er könnte doch wenigstens verstohlen winken oder mir ganz unauffällig zublinzeln … Ach Quatsch. Er kennt mich ja gar nicht.
    »Guten Abend, meine Damen!«, sagt er mit fester, tiefer Stimme, während er sich schwungvoll auf den Klavierschemel setzt.
    »Guten Abend«, murmeln einige überwältigt. Andere ziehen es vor zu schweigen.
    »Wir haben nur noch wenige Minuten zum Einsingen. Bitte gleich mal das Allegro ma non troppo , Lied mit Chor. Wer ist die Solistin?«
    »Ich«, möchte ich rufen, kann mich aber gerade noch beherrschen.
    Eine schmale Schwarzhaarige mit leichter Hakennase hebt den Arm. Er nickt ihr zu und lächelt kaum merklich. Richard Berkenbusch beginnt nun mit rasender Geschwindigkeit jene Arpeggien zu spielen, die ich noch aus dem Sommerkurs kenne! Sie stehen für die Insekten und Reptilien, die sich nachts im Wald tummeln. Mit dem freien Arm gibt er der Schwarzhaarigen den Einsatz. Seine Handbewegung wirkt so zärtlich, dass ich vor Eifersucht vergehe. Hallo! Hier bin ich! Mich sollst du so versonnen anlächeln, nicht die Hakennase!
    Die Solistin setzt mit wunderschöner, glockenheller Stimme ein: »Bunte Schlangen, zweigezüngt, Igel, Molche, fort von hier, dass ihr euren Gift nicht bringt, in der Königin Revier …« Bei dem Text von Shakespeare durchfährt mich ein wohliger Schauer. Ja, das ist sie, die wunderschöne Musik von damals, bei der ich immer eine Gänsehaut bekam.
    Sebastian - Verzeihung, Richard - schenkt der leider gut singenden Solo-Schlange einen erfreuten Blick. Er lauscht mit leicht geöffnetem Mund, während er ihre Stimme mit
der freien Hand vor sich her trägt wie eine kostbare Vase. Mein Gott, mir wird so weich in den Knien! Warum musste ich mir ausgerechnet diesen griechischen Gott für meine Betrügerei aussuchen? Hätte es Siegfried nicht auch getan?
    Plötzlich wird mir bewusst, dass ich seine Hände, die so leicht über die Tasten gleiten und die Stimme der Solistin in der Luft streicheln, ein wenig zu

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