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Die Erfolgsmasche

Titel: Die Erfolgsmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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hineinzudrängeln. Hier ist eine Lücke. Hier könnte ich … Moment! Ich zögere, strauchle, stolpere fast. Bin ich Gastchor oder Hauschor? Ich sollte genau die Mitte erwischen. Oh, Vorsicht. Ich darf meiner Vorderfrau nicht in die Hacken treten. Gleich gibt es Ärger.
    »Die Noten rechts!«, kommandiert eine, die hier wohl das Sagen hat. Chorvorstand oder Klassensprecher oder so.
    Alle Notenmappen wandern geschlossen auf die rechte Seite der Damenschlange.

    Ich tue so, als hielte ich auch Noten unterm Arm, und marschiere mit einer möglichst unbeteiligten Miene im Gleichschritt durchs Treppenhaus. Dabei schaue ich unauffällig auf jedes Türschild, in jede Nische.
    Wo ist Richard abgeblieben? Wo? Durch welche Seitentür ist er entschlüpft?
    Wir wandern durch Flure und Gänge, und plötzlich stehen wir vor einer Tür, über der blinkt es: »Bühne! Ruhe!« Die riesige Hinterbühne. Staubflocken tanzen im Scheinwerferlicht.
    Ich hole tief Luft. Soll ich … soll ich wirklich … Die Damen bleiben abwartend stehen, ordnen sich noch einmal die Haare, zaubern schnell noch einen Lippenstift hervor …
    Das Orchester stimmt die Instrumente. Eine ungeheure Spannung liegt in der Luft. Dieser Geruch! Das ist also die berühmte Bühnenluft, die man ein Mal im Leben geschnuppert haben muss … Ich schließe die Augen und inhaliere tief. Sich vorzustellen, Mitglied in diesem Chor zu sein! Jeden Tag Richard begegnen zu dürfen, diese wunderschöne Musik einstudieren zu dürfen und damit auch noch Geld zu verdie …
    »Wo sind deine Noten?«, reißt mich plötzlich die energische Stimme meiner Hinterfrau aus meinen Träumen.
    Ich versuche, überrascht zu klingen. »Ähm … Noten? Die habe ich aus Versehen im Chorraum liegen lassen …«
    »Sie gehört gar nicht dazu«, ruft die Dicke, die mich vorhin in den Aufzug gedrängelt hat. »Sie hat überhaupt keine Noten!«
    Benommen sehe ich hoch. Mit zittern die Beine. Ich bin entlarvt!
    »Zu uns auch nicht!«, brummt die Rothaarige, die mir die Lutschpastille angeboten hat.
    »Ich dachte, sie ist eine von euch?«

    »Nein! Ich hab die überhaupt noch nie gesehen!«
    »Wieso hat sie keine Noten?« Sie haben es entdeckt.
    »Sie kann überhaupt nicht singen!«, brummt die Rothaarige, die neben mir stand. »Sie hat im Sopran eingesetzt, aber eine Terz zu tief.«
    »Hallo, Security! Entfernen Sie diese Frau! Sie gehört nicht zu uns!«
    »Schon wieder eine Stalkerin von Richard«, quietscht eine. »In letzter Zeit wird der dauernd von fremden Frauen verfolgt!«
    »Ja, weil er diesem Zeitungstypen so ähnlich sieht!«
    Ein Arm greift nach mir, ein anderer schubst mich weg.
    »Ist ja gut!« Ich reiße mich los. »Ich geh ja schon!«
    »Auftritt!«, schallt es aus dem Lautsprecher.
    Mit hängendem Kopf stehe ich an der Wand. Ich möchte im Boden versinken. Vierzig Augenpaare starren mich verächtlich an. Dann betreten die Chorsängerinnen die Bühne und lassen mich im wahrsten Sinne des Wortes links liegen. Ich bin ausrangiert.

22
    Müde, beschämt und elend schleppe ich mich nach Hause in meine Wohnung unters Dach. Dieser Ausflug in die große weite Welt war kein Erfolg. Ich sollte lieber zu Hause bleiben und meinen Mutterpflichten nachkommen.
    »Mama! So’n Spacko aus Hamburg hat schon ein paar Mal angerufen!« Greta hockt mit ihrem Klon an der Küchentheke und schaufelt Spaghetti mit Tomatensoße in sich hinein. Der kleine Küchenfernseher läuft. Beide sehen sich nur flüchtig nach mir um, als ich schwer atmend den Raum betrete.
    »Wie siehst du denn aus? Ist die Oma jetzt tot?«
    »Nein, ich habe nur … ein Konzert besucht, beziehungsweise bin rausgeflogen und nur knapp einer Anzeige wegen Hausfriedensbruches entkommen …«
    Doch mein Nachwuchs interessiert sich nicht für meine dramatische Geschichte, sondern verfolgt irgendeine amerikanische Show auf MTV.
    »Das mag ich aber gar nicht gern, dass ihr beim Essen fernseht«, würge ich hervor.
    »Passt schon, Mama!« Greta schiebt mich aus ihrem Blickfeld. »Geh du lieber in dein Arbeitszimmer und ruf diesen Typen zurück.«
    »Welchen Typen?« Mein Herz fängt schon wieder an zu rasen.

    »Keine Ahnung, wie der hieß. Von irgend so einer Produktionsfirma oder so.«
    Der Klon versucht, an mir vorbeizuschauen und reckt seinen Hals. Im Fernsehen gleiten gerade ein paar waghalsige Skater über eine amerikanische Strandpromenade samt dem dazugehörigen Mäuerchen. Blondmähnige Luder mit freien Bauchnabeln bejubeln sie und wackeln mit

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