Die Erfolgsmasche
legato und piano .« Mein Lächeln ist so bemüht, dass es wehtut.
Eduard, das übergewichtige Schwein, liegt heute vor dem Gästeklo. Es schnarcht ganz laut, aber Elvira und ich lassen uns dadurch nicht stören. Dafür stört uns heute eine Ziege namens Corri, die offensichtlich mitspielen will. Der arme Richard. Der muss hier gestorben sein vor Frust.
Elvira scheint das nicht zu irritieren. Schließlich musiziert sie ja für die Tiere. Also auch mit den Tieren. Die dürfen ruhig mitspielen. Dass Richard nicht für die Tiere spielen wollte, ist aber auch wirklich hartherzig von ihm!
Ich habe heute ein paar uralte Noten mitgebracht, die ich vom Dachboden geholt habe: meine eigene erste Klavierschule. Vor dreißig Jahren habe ich als kleines Mädchen daraus gelernt, und der Vorteil ist: Ich kann noch sämtliche Stückchen fehlerlos spielen. Sie haben sich sozusagen in mein Unterbewusstsein eingegraben. Als neues Stück üben wir »Komm lieber Mai und mache«, das passt besser zur Jahreszeit. Nach einer Stunde eifrigen Übens kriegen wir es zusammen hin. Corri meckert verdrossen. Sie ist mit dem Ergebnis noch nicht zufrieden. Und wer weiß? Vielleicht kann sie es besser?
Elvira strahlt mich an: »Sie sind wirklich eine tolle Lehrerin!«
»Nicht doch«, wehre ich ab. »Es macht mir auch wirklich
Spaß mit Ihnen … und natürlich mit Corri. Sie ist sehr musikalisch.« Ich könnte mir direkt in die Hosen machen vor unterdrücktem Lachen. Aber angesichts des verbarrikadierten Gästeklos sehe ich lieber davon ab. Wer weiß, ob Eduard nicht gerade was Schönes träumt?
»Wo unterrichten Sie denn sonst?«, fragt Elvira freundlich, während sie mir eine Tasse Tee reicht. Sie scheucht die fettbäuchige Ziege weg, die ihre Hörner angriffslustig gegen meine Tasse richtet: »Corri, du hattest soeben ein Honigbrötchen. Nein, das ist jetzt für Sonja. Am Mozarteum?«
Hoffentlich will sie nicht, dass ich Corri dort zum Studium anmelde.
»Nein, dort habe ich nur einen Sommerkurs belegt, aber das ist schon eine Ewigkeit her«, antworte ich wahrheitsgemäß. »Das war eine wunderschöne Zeit, an die ich gern zurückdenke … Ich bin eigentlich auch Autodidaktin.« Hastig trinke ich einen Schluck Tee. »Ansonsten arbeite ich hauptsächlich mit Kindern.«
Die Ziege denkt gar nicht daran, mir meinen Tee neidlos zu überlassen. Sie neigt ihren Kopf und versucht, an meiner Tasse zu lecken. Dabei darf ich ihren nicht ganz stubenreinen Hinterausgang betrachten.
»Da können wir aber froh sein«, sagt Elvira gestelzt. »Dass Sie sich unserer annehmen. Es muss auch Menschen geben, die sich um benachteiligte Randgruppen kümmern. Nicht wahr, Corri?«
Als ich mich gerade frage, wie ich das Thema wieder unauffällig auf Richard bringen soll, stolziert ein Huhn herein und fängt an, auf meinen Schuhen herumzupicken.
»Lass das, Leonie«, sagt Elvira sachlich. »Die Dame möchte das nicht.«
»Took«, sagt das Huhn beleidigt.
»Wo ist Ihr Mann eigentlich?«, frage ich so harmlos wie möglich. »Ich meine, er wohnt hier wohl nicht mehr?«
»Er ist schon länger ausgezogen«, sagt Elvira mit gestelzter Stimme. »Zu seiner Mutter. Ihm passten meine kleinen Lieblinge hier nicht.« Wie auf Kommando steht ein staubiger Esel auf dem Perserteppich und schüttelt bedauernd den Kopf.
»Er arbeitet lieber mit Menschen als mit Tieren. Was uns letztlich auseinandergebracht hat. Richard wollte immer allein Klavier spielen! Die Tiere durften nicht im Raum sein, wenn er übte! Geschweige denn, wenn eine seiner Sängerinnen zum Üben kam. Das ist doch nicht normal, so was!«
»Nein«, sage ich erschüttert, um dann ganz nebenbei zu fragen: »Und was macht Ihr Mann jetzt?« Dabei biedere ich mich bei der Ziege an, indem ich ihr struppiges Fell streichle. »Wo würde man ihn finden, wenn man ihn suchen würde?«
»Im Moment ist er vollauf mit den Pfingstfestspielen beschäftigt«, erklärt Elvira. »Und studiert für Mutti den Sommernachtstraum ein.«
»Für Mutti? Für seine Mutter? Bei der er jetzt wieder wohnt?«
»Ricardo«, sagt Elvira herablassend. »Der ist auch kein Tierfreund.«
Ich erstarre. Mit Muti ? Ricardo Muti? Den Sommernachtstraum ? Das war mein Lieblingsstück, als ich das Mozarteum besuchte. Eines, das ich noch heute auswendig kann.
»Ja, und dann gehen sie damit auf Tournee. Erst nach Griechenland, Spanien und Italien und dann in die Schweiz.« Sie sieht mich erstaunt an: »Ist Ihnen nicht gut?«
»Doch«, sage ich
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