Die Erfolgsmasche
»Wegen vorsätzlichen Betruges«?
Oh Gott, ich darf gar nicht darüber nachdenken. Blinder Aktivismus hält mich davon ab.
Ich bügle Wäscheberge, streiche Brote und koche den vielen jungen Leuten, die mir hier begegnen, täglich ein nahrhaftes Essen. Danach räume ich die Küche auf, bringe den Abfall runter und schüttle die Betten auf. Ich will wenigstens eine gute Mutter sein.
Am Musical arbeite ich wie ein Tier, um es bis zum ersten Juli zu schaffen. Vielleicht ergibt sich doch noch irgendeine Lösung! Werner Gern hat noch mal darauf hingewiesen, dass er ein großes Doppelinterview mit Tom Konrad, dem Schlagersänger, und Sebastian Richter, dem Autor des Musicals, in der Frauenliebe und Leben platzieren wird, um so auch Carmen Schneider-Basedow das erste Exklusivinterview zu sichern. Er habe es ihr bereits versprochen, schließlich sei der heiße Tipp mit dem jungen Starautor von Carmen Schneider-Basedow gekommen und er stehe in ihrer Schuld.
Werner Gern hat noch versucht, mich als Sebastians Managerin dazu zu bringen, einer Homestory zuzustimmen. Um der Wahrheit Genüge zu tun: Er hat es nicht nur versucht.
Es ist ihm gelungen.
Ich vergrabe das Gesicht in den Händen. Auf was habe ich mich da nur eingelassen! Aus lauter Erleichterung, dass Werner Gern meinen Schwindel immer noch nicht durchschaut hat, habe ich lammfromm Ja gesagt, als er meinte:
»Das käme unheimlich sympathisch rüber, wenn er mit
seinen Kindern in seinem Haus und Garten für einen Fototermin zur Verfügung stünde! Eine bessere PR kann er sich gar nicht wünschen! Bitte überreden Sie ihn doch, Frau Kopf. Auf Sie hört er doch!«
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, habe ich verzweifelt gestammelt. »Aber er ist wirklich sehr öffentlichkeitsscheu!«
Werner Gern hat gelacht: »Bei dem Aussehen, Frau Kopf, da muss sich Herr Richter doch wirklich nicht verstecken! Nein, das schuldet er seinen Leserinnen, dass er ihnen einen kleinen Einblick in seine vier Wände gestattet!«
Daraufhin hat die Schneider-Basedow angerufen und gesagt: »Wie ich höre, klappt die Homestory, Frau Kopf: Wir wollen ein Bild von ihm, wie er sich rasiert! Oder vielleicht sogar eines, wie er unter der Dusche steht! Eines, wie er mit nacktem Oberkörper Holz hackt! Der Mann ist so sexy! Unsere Leserinnen sind total verrückt nach ihm!«
Schon wieder so eine selbst gestellte Falle, in die ich gegangen bin! Warum musste ich mir so einen schönen Mann aussuchen?
In den letzten Kolumnen habe ich Sebastian Richters Einfamilienhaus beschrieben. Wo er abends immer mit seinem zotteligen Hund am Kamin sitzt und Rotwein trinkt, während er schreibt. Wo er tagsüber liebevoll im Garten werkelt. Mitten zwischen seinen zutraulichen Ziegen und Lämmchen. Und Hühner hat er auch, die dürfen sogar frei rumlaufen in seinem Haus. Weil er nämlich nicht nur kinder-, sondern auch noch tierlieb ist. Das bringt ihm unglaublich viele Sympathien ein!
Oh Gott, diese Homestory ! Nur damit Werner Gern keinen Argwohn hegt und endlich von mir ablässt, habe ich sie ihm zugesagt! Wie konnte ich nur?! Wie bin ich nur auf die saudumme Idee gekommen, in meiner überbordenden Fantasie
auch noch ein gemütliches kleines Landhaus mit Kamin, Steinskulpturen und Tieren im Garten zu beschreiben?
Wo soll ich die denn hernehmen???
Meine Dachwohnung im vierten Stock eignet sich überhaupt nicht! Und ein anderes Domizil gibt es nicht!
Nein. Es wird keine Homestory geben. So wie es keinen Sebastian Richter gibt.
Verzweifelt raufe ich mir die Haare.
Vielleicht kann ich behaupten, Sebastian Richter wäre tödlich verunglückt. Ach nein, dann ist ja die Kolumne auch gestorben.
Oder doch zumindest schwer erkrankt, weshalb er nicht zur Pressekonferenz kommen kann. Er lässt keine Fotografen in sein Haus. Wegen der … Schweinegrippe. Genau. Die grassiert nämlich in seinem Landhaus. Seine Kinder und Tiere stehen unter strenger Quarantäne. Das klingt vielleicht etwas übertrieben. Nachher stehen noch die Paparazzi an seinem Gartenzaun.
Ach, Blödsinn! Ich schlage mir mit der flachen Hand an die Stirn. Es gibt ja gar keinen Gartenzaun! Weil es Sebastian Richter nicht gibt !!!
Oder seine Kinder haben die Masern. Etwas Normales, was alle Mütter kennen und akzeptieren. Windpocken. Möglichst etwas Ansteckendes. Mumps. Röteln. Irgendwas mit einem hässlichen Ausschlag. Er kann sich nicht sehen lassen, weil er über und über mit roten Pusteln bedeckt ist. Eine Allergie! Er hat Muscheln
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