Die Erfolgsmasche
Salzburger Herren nur selten gewachsen. Heute sitze ich mit dem flachen! schmalen! weißen! Laptop in einem rot gemusterten Sommerkleid mitten unter ihnen und tippe ungeheuer geschäftig darauf herum. Natürlich ist es merkwürdig, als Hausfrau und Mutter von zwei Kindern am helllichten Tag hier zu sitzen und Melange zu trinken.
Aber ich bin ja auch ein Mann. Ich arbeite . Ich bin wichtig .
Jeden Vormittag schreibe ich nun bei dem herrlichen Wetter draußen. Jetzt erst wird mir bewusst, was für ein unbeschreibliches Paradies der Arbeitsplatz Salzburg ist! Grüne Matten und Hügel, so weit das Auge reicht: der liebliche Gaisberg mit seiner unverwechselbaren Spitze, daneben der schroff anmutende Nockstein, auf der anderen Seite der Salzach der wirklich majestätische Untersberg, dessen winzige Gondeln von ferne in der Sonne glänzen. Davor zum Greifen nahe der schmale Mönchsberg mit der majestätischen
Festung, hinter mir der Kapuzinerberg mit den vielen kleinen Wehrturmhäuschen, in denen die Obdachlosen wohnen.
Drei Lieblingsplätze habe ich: besagtes Café Bazar, direkt am Ufer der Salzach, von dem aus man einen herrlichen Blick auf die Altstadt hat, die Steinterrasse hoch oben auf dem Dach des Hotels Stein, wo der Blick noch viel umwerfender ist, oder - je nach dem Stand der Sonne - der geschwungene Balkon vom Café Tomaselli. Dort sitze ich heute, genieße den Blick auf den Dom und das bunte Treiben auf dem Alten Markt und dem Residenzplatz. Eine ganz in Weiß gehüllte, weiß geschminkte Person steht als lebende Statue vor den Blumenständen und verbeugt sich jedes Mal, wenn jemand eine Münze in ihre Schale wirft. Kinder staunen, Erwachsene fotografieren, Gruppen bleiben lachend stehen, werfen Münzen, die Figur verbeugt sich.
Neugierig blicke ich mich um: In der linken Ecke des Balkons sitzt tagaus, tagein ein dicker, glatzköpfiger alter Mann, Typ pensionierter Hofrat, in hellbrauner Trachtenjoppe mit Hirschhornknöpfen. Er hat die Hände über seinem beträchtlichen Bauch gefaltet und liest in einem Buch. Ich sehe förmlich seine ehemals wackere Witwe im Grabe liegen und seiner harren. Mich beachtet er nie. Niemals. Einer wie er beachtet Frauen nicht. Und Frauen, die mit einem Laptop auf dem Balkon sitzen, statt zu Hause im Dirndl Knödel mit Gulasch zu kochen, schon erst recht nicht. Bestimmt hat er eine Haushälterin mit Dutt, die mit dem Backhendl auf ihn wartet. Vor ihm auf dem schmalen dreibeinigen Tisch steht ein kleiner Brauner. Das ist eine Art Espresso, nicht etwa ein Leibeigener, obwohl der auch gut zu ihm passen würde. Ich nenne den Dicken heimlich das Murmeltier, weil er wie gleichnamiges in meinem Lieblingsfilm täglich grüßt. Er gehört einfach zu
Salzburg wie der Dom, das Glockenspiel und Mozarts Geburtshaus.
Auch die anderen Tische sind gut besetzt. Jeder zweite Mensch spricht in sein Handy. Früher plauderte man mit dem Menschen, der einem gegenübersaß. Heute plaudert man mit seiner rechten Hand am Mund.
Eine Mamsell mit weißer Rüschenschürze und Kuchentablett läuft unermüdlich zwischen den Gästen umher und bietet verschiedene Mehlspeisen feil, die sie alle einzeln anmoderiert: »Und da hätt mer jetzt den gedeckten Apfelstrudl, hier an Topfenstrudl mit Schlag, und dös san a Mohnstrudl, a Nussbeugerl, a Marillenknödel, a Palatschinken und a Sacher Torte.« Das hört sich alles so appetitlich an, zum Reinbeißen und Wohlfühlen!
Das Leben in Salzburg ist wirklich ein Traum. Der hellblaue Himmel wölbt sich über den barocken Prachtbauten und hüllt alle Menschen in ein freundliches Licht.
Ich halte beim Schreiben inne, um über eine bestimmte Figur in meinem Musical nachzudenken, und lasse wieder meinen Blick schweifen. Der Kellner geht an mir vorbei und fragt: »Was darf es denn sein?«
Eine warme Männerstimme antwortet: »Einen großen Braunen, bitte.« Ich zucke zusammen und spitze die Ohren.
Die Stimme kommt mir bekannt vor. Sehr bekannt. Es ist, als wäre es meine eigene.
Und dann setzt plötzlich mein Herz aus. Der Mann, der gerade am Ecktisch neben der Wendeltreppe Platz genommen hat, ist Sebastian Richter beziehungsweise Richard Berkenbusch.
Mit offenem Mund starre ich ihn an. Er ist allein! Keine Chordame folgt ihm, niemand setzt sich zu ihm! Er schlägt eine Zeitung auf und lehnt sich entspannt zurück. Mein Gott,
was sieht dieser Mann gut aus! Er trägt eine weiche braune Lederjacke über einem schwarzen T-Shirt, und eine Sonnenbrille verdeckt seine
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