Die Erfolgsmasche
muss mich setzen. Ist es das , was er von mir wissen will? Ist er immer noch der Meinung, es gäbe einen Sebastian Richter, der gerade für ihn ein Musical schreibt?
»Tja … eigentlich gut«, gebe ich schließlich von mir. »Er geht ganz in der Arbeit auf. Im Moment recherchiert er gerade außerhalb. Also um ehrlich zu sein, macht er gerade eine Studie mit Chorsängern.«
»Ich wollte ihm eigentlich nur meine Hilfe anbieten«, sagt Werner Gern ernsthaft. »Falls er Fragen hat oder irgendwie nicht weiterkommt. Eine Studie mit Chorsängern, aha … das klingt ja sehr professionell. Prima! Vielleicht sollten wir den Plot noch mal besprechen! Ich könnte ihn gern einmal besuchen.«
»Danke, er kommt zurecht«, ringe ich mir von den Lippen. Oh Gott. Das fehlte noch. Dass der Gern hier plötzlich auf der Matte steht! »Man sollte ihn in seiner kreativen Phase nicht stören. Er nimmt seine Aufgabe sehr ernst.«
In dem Moment höre ich den Schlüssel in der Wohnungstür, und eine riesige Tasche wird auf den Fußboden geknallt. Ein Golfsack wird hinterhergewuchtet, und dann fallen noch ein Paar Golfschuhe auf den Parkettboden.
»Da kommt er übrigens gerade«, höre ich mich erleichtert sagen. »Wollen Sie ihn sprechen?«
Ja, spinne ich denn total? Das war doch gar nicht nötig!
Die Tür wird polternd aufgerissen, und ein verschwitzter Alex, dem die Müdigkeit und Erschöpfung ins Gesicht geschrieben stehen, taucht mit eingezogenem Kopf im Türrahmen auf. Sein müder gereizter Gesichtsausdruck schreit: »Hunger, Wäsche, essen, duschen, in Ruhe lassen, abhängen, chillen, keinen Stress machen.«
Ich bedeute ihm panisch, dass er jetzt nicht »Hallo, Mama« sagen soll. »Herr Gern, ich gebe Ihnen schnell Sebastian Richter. Aber nur kurz, er kommt gerade von einem Go…ttesdienst.«
Alex verdreht die Augen, wischt sich den Schweiß von der Stirn und nimmt, wenn auch widerwillig, den Hörer.
Im selben Moment schiebt sich ein blondes Mädel in knapp sitzenden Jeans und einem megaengen T-Shirt hinter ihm ins Zimmer. »Hi«, sagt sie verschüchtert und entblößt ihr makelloses Gebiss. Ich begrüße sie mit stummen Gesten und lege den Finger auf den Mund. Kenne ich die schon? Oder ist die neu? Nicht, dass ich nachher was Falsches sage. Jedenfalls kichert sie und bleibt abwartend im Raum stehen.
»Hallo?«, brummt Alex unwillig. Er lauscht, und ich sehe seine Halsschlagader pulsieren. Schließlich hat er einige Zentner Schmutzwäsche und seine ganze Golfausrüstung hier raufgeschleppt.
»Ja, alles im grünen Bereich. Nee, geht klar. Nee, lassen Sie mal. Das pack ich schon allein. Keine Panik auf der Titanic. Ich geb Ihnen dann jetzt mal wieder meine Mu … Ma … Managerin. Ja! Passt. Tschau. Servus derweil!«
Während ich weiter mit Werner Gern rede und mich bemühe, möglichst geschäftsmäßig zu klingen, sehe ich noch, wie Alex die drei Zentner Wäsche ins Badezimmer schleppt und das blonde Gift in seine Höhle.
23
Irgendwie läuft es zurzeit nicht so besonders. Offen gestanden, läuft es sogar ziemlich beschissen.
Jetzt habe ich die Situation zwar noch ein letztes Mal retten können. Alex hat seine Rolle einigermaßen überzeugend gespielt. Werner Gern hat uns offensichtlich geglaubt. Ich könnte mich zurücklehnen und am Musical weiterarbeiten. Aber tief in meinem Innern ist mir die Ungeheuerlichkeit meiner Lüge nur allzu deutlich bewusst. Was nur eine Retourkutsche für die blöde Chefredakteurin Carmen Schneider-Basedow sein sollte, ist jetzt zu einem gefährlichen, ja wahrscheinlich sogar strafbaren Akt geworden. Ich führe diesen netten Produzenten, der es wirklich nur gut meint, wiederholt hinters Licht. Und benutze dafür auch noch meinen Sohn.
Ich fühle mich schäbig und elend. Wie komme ich aus dieser selbst gestellten Falle nur wieder heraus? Verzweifelt suche ich nach einer Lösung. Sebastian Richter ist für mich unerreichbar. Er wird nie und nimmer mitspielen. Werner Gern setzt sein gesamtes Vertrauen und seine ganze Hoffnung in das Musical. Er hat schon eine sehr großzügige Vorauszahlung geleistet, die mein Bankkonto erst mal aufgefüllt hat. Finanzielle Sorgen plagen mich im Moment nicht, aber genau das macht mir ja solche Schuldgefühle! Bestimmt muss ich alles zurückzahlen, wenn der Schwindel auffliegt!
Wahrscheinlich gibt es da so Paragrafen wie »Wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen«, »Wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte«. Vielleicht muss ich sogar … in den Knast?
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