Die Erfolgsmasche
selbst angesprochen!!!
Also passen Sie mal auf, mein Lieber. Die Sache ist schnell erklärt: Ich habe Ihr Foto nämlich an einen Hausfrauenblättchenverlag geschickt und schreibe mithilfe Ihres Bildnisses sehr erfolgreich Kolumnen. Am Telefon gebe ich mich als Ihre
Managerin aus. Sie haben soeben ein Kindermusical für einen alternden Schlagerstar geschrieben, und Ihr Bild hängt in Hamburg an jeder Litfasssäule. Wollen wir siebzig:dreißig machen? Oder sagen wir, fifty-fifty? Übrigens, ich heiße Sonja Rheinfall und habe mir erlaubt, Sie Sebastian Richter zu nennen. Angenehm, Grüß Gott, behalten Sie doch Platz.
Warum bleibt mir nur die Spucke weg? Warum kann ich mich denn jetzt nicht lässig an seinen Tisch setzen, die Beine gekonnt übereinanderschlagen und sagen: »Ich erlöse Sie jetzt mal von Ihrer Ahnungslosigkeit. Hören Sie mir gut zu, mein Lieber. Die Sache verhält sich nämlich wie folgt …«
Tatsache ist: Ich kann es nicht . Ich kann ihn nur anstarren, auf meiner Unterlippe herumknabbern und versuchen, nicht vom Stuhl zu fallen.
Da ich so spröde schweige und weder piep noch pup sage, vertieft sich Richard erneut in den Kulturteil.
Schließlich murmele ich: »George Clooney hat sich auch nicht geoutet, weil er seinen Kaffee nicht abgeben will.«
Richard lacht. »Aber ich bin wirklich nicht George Clooney.«
Ich starre ihn an wie ein seltenes Tier.
»Und ich bin auch sonst nicht berühmt«, sagt Richard mit einem bedauernden Lächeln. »Ich wollte, ich wäre es.«
Mir fallen fast die Ohren ab. Er wäre gern berühmt! Na, dazu kann ich ihm verhelfen.
Ich zwinge mich, wieder auf meinen Laptop einzuhacken.
»Was schreiben Sie denn da?«, fragt er plötzlich von schräg links.
Äh, bitte? Will er tatsächlich Kontakt zu mir aufnehmen? Ich meine, findet er mich etwa … möglicherweise …
»Ähm, ein Musical«, höre ich mich sagen.
»Ein Musical? Was denn für eins?« Richard Berkenbusch
faltet seine Zeitung zusammen und beugt sich interessiert zu mir. Seine Hände! Diese wundervollen schlanken Finger, mit denen er neulich so erotisch dirigiert hat, dass ich mir lieber nicht vorstellen wollte, was er damit sonst noch …
Sitz! Klappe! Spinnst du, Sonja!
»Och, nichts Besonderes.« Hastig klappe ich den Laptop zu und stütze meine verschränkten Oberarme darauf, wie ein Kind, das in der Schule die Banknachbarin nicht abschreiben lassen will.
Wie kindisch bin ich denn? Warum verhalte ich mich denn so sagenhaft blöde ?
Warum nutze ich nicht die Gunst der Stunde und weihe ihn endlich ein?
»Ich bin nämlich Musiker«, sagt Richard und streicht seine dunklen Locken zurück. »Allerdings weder berühmt noch erfolgreich.«
»Das könnte sich in Kürze ändern«, murmele ich in meine Kaffeetasse hinein, hinter der ich mich nun verstecke.
»Kennen wir uns nicht von irgendwoher?«, fragt Richard plötzlich und lächelt mich so unglaublich nett und verbindlich über seine Sonnenbrille hinweg an, dass ich spüre, wie mir der Magen in die Kniekehle rutscht.
Klar, Mensch!, sollte ich rufen. Ich gebe mich seit Monaten als Sie aus! Ich benutze Ihr Gesicht und habe damit einen Schweine-Erfolg! Wissen Sie was? Wir teilen uns die Kohle! Lassen Sie uns einen trinken gehen, und dann reden wir über alles, als alte Geschäftsfreunde! Außerdem kenne ich bereits Ihre durchgeknallte Frau, das Schwein Eduard, die Ziege Corri, den staubigen Esel und noch so allerhand bescheuerte Tiere, die angeblich Mozarts Enkel sein sollen. Und unter uns: Ich kann gut verstehen, dass Sie wieder zu Ihrer Mutter gezogen sind!
Doch mein Mund gehorcht mir nicht. »Sie müssen mich verwechseln«, höre ich mich krächzen. Dann huste ich in meinen Kaffee. Ich möchte mich über das Tomaselli-Geländer stürzen vor Peinlichkeit.
Richard lacht ein kleines, glucksendes Lachen. »Da scheint es uns beiden ja ganz ähnlich zu gehen! Allerdings wollte ich von Ihnen kein Autogramm …«
»Nein«, sage ich, meinen ganzen Mut zusammennehmend. »Und ich bin auch leider nicht Renée Zellweger.«
Hahaha, Sonja. Sehr witzig.
»Ich will ganz ehrlich sein: Ich war vor Kurzem bei der Einsingprobe im Chorsaal. Mendelssohn. Sommernachtstraum . Ich … wollte Sie einfach mal sehen.«
So. Jetzt habe ich die Wahrheit gesagt. Jedenfalls fast.
Wir lachen. Endlich. Der Bann ist gebrochen. Jetzt werde ich mich zu ihm setzen und ihm alles erklären.
»Dann sind Sie aus dem Gastchor? Wie gefällt Ihnen Salzburg?«
»Oh, großartig, ganz
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