Die Erfolgsmasche
fast bis unters Kinn, um mich von der Hundebelagerung zu befreien.
»Sagten Sie nicht, Sie seien nicht im Chor???«
Elvira hat hektische Flecken im Gesicht. Ihre wasserblauen Augen durchbohren mich förmlich.
»Bin ich auch nicht«, beteuere ich kleinlaut. »Wie geht es Eduard?«, versuche ich das Thema zu wechseln.
Doch Elvira lässt sich nicht so leicht ablenken. »Eduard geht es gut«, belehrt sie mich und scheint auf eine Erklärung zu warten. Zum Glück kommt der Kellner herbeigeschossen und stellt einen Wassernapf auf den Boden. Die hechelnden Hunde stürzen sich auf ihn und reißen mich fast von meinem Stuhl.
»Woher kennen Sie denn das Schwein?« Jetzt ist Richard aber wirklich verwirrt.
»Sie ist meine Klavierlehrerin«, sagt Elvira und lächelt schmallippig. »Du wolltest mich ja nicht mehr unterrichten. Und jetzt macht das Sonja. Sie ist einfühlsam, geduldig und hat sehr viel Verständnis für meine Lieblinge. Sie sagt, Corri sei besonders musikalisch.«
»Und das Eichhörnchen«, stimme ich ihr zu. »Das hat neulich sogar Béla Bartók gespielt.«
»Genau«, nickt Elvira triumphierend. »Béla Bartók.«
Richard schaut mich aus zusammengekniffenen Augen an. Ich zucke kaum merklich mit den Schultern.
Elvira schaut zwischen uns beiden hin und her.
Die Hunde schlabbern und schlürfen und lecken sich die Lefzen.
»Ja dann …«, sage ich und ergreife so elegant wie möglich die Flucht. »Es war nett, Sie kennenzulernen!« Und zu Elvira: »Passt Ihnen Mittwoch? Zur gewohnten Zeit?«
Ich fühle Richards Augen in meinem Nacken brennen, als ich die Wendeltreppe hinunterstürze.
25
»F-Dur hat ein B. Sie müssen mit dem vierten Finger … Nein, bitte, nicht so feste. Ganz sanft, schauen Sie. So. Dann setzen Sie unter, führen den Daumen auf die nächste weiße Taste, aber eben erst nach dem vierten Finger, und dann können Sie die Tonleiter …«
Ich hocke wieder mal neben Elvira auf dem Schemel und quäle mich durch die Klavierstunde. Elvira drischt auf die Tasten ein, und Eduard, das Schwein, schnarcht wieder vor dem Gästeklo. Noch vier Wochen bis zum ersten Juli! Ich weiß nicht, wie ich meinen Plan bis dahin in die Tat umsetzen soll!
Einerseits habe ich »Sebastian Richter« inzwischen gefunden. Andererseits habe ich mich ganz fürchterlich in ihn … Nein, darüber darf ich gar nicht nachdenken. Ich will keinen Mann mehr. Ich brauche keinen. Ich bin mein eigener Herr. Und will es bleiben. Außerdem ist der Mann ja gar nicht frei, ich meine, der hat diese verrückte Elvira an der Backe und wohnt bei seiner Mutter! Warum habe ich mich bloß Hals über Kopf … Es waren seine Hände. Nein, seine Augen. Sein Blick. Dieses volle, gelockte Haar. Seine Stimme. Nein, sein federnder Gang, seine edle Gestalt. Sein Kuss …
Mein Gott, dass mir das passieren musste! Meine lesenden Hausfrauen sollten sich alle in ihn verlieben. Das war der Plan. Aber ich doch nicht! Ich sollte doch professionell genug sein, nicht auf meinen eigenen Bluff hereinzufallen!
Wir üben geduldig, Elvira »spielt«, ich schwitze neben ihr und schaue aus dem Fenster. Draußen rennen die Ziegen und Schafe durcheinander, ein Knecht latscht pfeifend um die Stallungen, die Hunde hecheln um ihn herum, Gänse flattern krächzend ihres Weges, Kühe grasen, und Pferde kauen Möhren, und kein Schwein - im wahrsten Sinne des Wortes - schert sich um das Geklimper der Hausherrin.
Dabei denke ich immerfort nur an ihn. Mir geht Robert Schumann durch den Kopf: Er, der Herrlichste von allen, Wie so milde, wie so gut!
Da fährt plötzlich ein Auto vor. Unwillkürlich recke ich den Hals. Wer kann das sein? Lieber Gott, lass es … Oder lass es bitte auf keinen Fall …
Elvira klimpert aggressiv, und ich erstarre: Es ist Richard, der da geschmeidig aus dem Wagen gleitet. Er bückt sich und holt eine große Sporttasche hervor.
Ich zucke zusammen. »Ich glaube, da kommt Ihr Mann!«
»Lassen Sie uns schnell das Vierhändige spielen«, zischt Elvira. »Das, was so toll klingt!«
Ich habe keine Ahnung, wovon sie spricht, aber als sie anfängt zu hämmern, weiß ich, dass sie den Schubert meint. Den Trauermarsch in a-Moll .
Wir spielen. Elviras Anschlag ist so brutal, dass ich laut aufjaulen könnte. Sie will den Flügel zertrümmern! Ich sollte ihr eine Axt anreichen. Was hat sie nur? Warum ist sie nur so aggressiv? Wegen Richard?
Er kommt. Er betritt den Flur. Er steigt über das Schwein. Vor lauter Schreck zittern mir die Finger. In ihr
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