Die Erfuellung
Aber er ist von innen ebenso hässlich wie von außen. Er war schon immer so. Mein Sohn hat Recht: Wenn er Sie irgendwie belästigt, müssen Sie uns das sagen. Sep Watson kann sehr unangenehm werden. Er hat eben eine solche Standpauke bekommen, dass er mit eingezogenem Schwanz nach Hause gegangen ist.«
Daher wehte also der Wind. Ralph Batley hatte den Melker zur Rechenschaft gezogen, deswegen hatte er ihr gedroht.
Mrs Batley ging zum Feuer und nahm den Kessel. »Ich weiß, dass er geredet hat und auch weiterreden wird. Manches stimmt, anderes hat er sich selbst ausgedacht.« Sie beugte sich vor und hängte den geschwärzten Kessel über das Feuer. »Hat er heute etwas über meinen Sohn erzählt?«, erkundigte sie sich mit leiser Stimme.
Obwohl Mrs Batley ihr den Rücken zuwandte, hatte Linda das Gefühl, ihr in die ehrlichen runden Augen zu sehen. »Ja«, murmelte sie mit gesenktem Kopf. Diese Frau konnte sie nicht anlügen, und sie sah auch keine Notwendigkeit dafür.
»Was hat er gesagt?«
»Ich kann nicht …« Linda schüttelte den Kopf. »Ich meine, ich kann nicht wiederholen …« Die Worte des Melkers wollten ihr einfach nicht über die Lippen kommen. »Es ging um das Atelier«, schloss sie lahm.
»Oh, das Atelier«, wiederholte Mrs Batley. »Hat er Ihnen erzählt, warum es abgeschlossen ist?«
»Nein.«
»Nein? Dann hat er sich das sicher für später aufgehoben.« Plötzlich stand Mrs Batley vor Linda und sah sie eindringlich an. Ohne den Blick von ihr zu wenden, griff sie nach einem Stuhl und setzte sich. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Wir haben nicht viel Zeit«, begann sie hastig. »Die anderen werden gleich da sein. Watson hat bestimmt etwas Hässliches gesagt. Deswegen werde ich Ihnen die Wahrheit erzählen, damit Sie sich selbst ein Bild machen können. Mein Sohn hätte Künstler werden sollen, nicht Bauer. Er war Bildhauer, ein echter Bildhauer, aber als sein Vater starb, hinterließ er die Farm in einem ziemlich schlechten Zustand.« Sie schloss bei dieser schmerzlichen Erinnerung die Augen. »Also kam Ralph nach Hause und versuchte, beides miteinander zu vereinbaren. Dann kam dieses Mädchen aus dem anderen Tal. Die Familie besaß einen gewissen Einfluss im Bezirk, und die Tochter war mit den Cadwell-Jungen befreundet, vor allem mit Bruce, dem Ältesten. Aber dann verliebte sie sich auf den ersten Blick in meinen Sohn.« Mrs Batley sah zu Boden. »Und er sich in sie. Schon damals war das Verhältnis zwischen uns und den Cadwells gespannt, weil meine Tochter, Michaels Mutter, den zweiten Sohn, Lance, geheiratet hatte.«
Linda ließ sich nicht anmerken, dass ihr das nicht neu war, sondern sah sie nur voller Mitgefühl an.
»Bruce Cadwell wollte dieses Mädchen. Wissen Sie, die Familie war zwar nicht unbedingt reich, aber sehr angesehen. Für ihn war sie wie eine Trophäe. Die Cadwells sind so, sie sammeln Trophäen.«
Es war die erste bittere Bemerkung, die Linda von Mrs Batley hörte.
»Und wegen dieser Frau loderte der schwelende Konflikt zwischen unseren beiden Familien wieder auf. Irgendwann musste es geschehen. Den Ausschlag gab Ralphs Verlobung mit ihr.«
Linda fiel auf, dass sie nur ihren Sohn mit Namen nannte, nicht aber das Mädchen. Mrs Batleys Brust hob sich unter einem tiefen Atemzug.
»Zehn Tage vor der Hochzeit ist sie mit Bruce Cadwell durchgebrannt.«
Merkwürdig, dachte Linda. Schwang da eine gewisse Erleichterung in Mrs Batleys Stimme mit?
Bevor Linda sich äußern konnte, hörten sie, wie Michael in die Küche stürzte und nach ihnen rief. Mrs Batley sah Linda noch einmal eindringlich an. Dann tätschelte sie ihr wortlos das Knie, erhob sich rasch und ging zum Tisch. In diesem Augenblick platzte Michael herein.
»Was habe ich dir gesagt?«, mahnte seine Großmutter. »Geh sofort wieder nach draußen und zieh deine Gummistiefel aus.«
»Sie kommen, Großmama.«
»Schön, aber tu jetzt, was ich dir gesagt habe.«
Linda saß noch in ihrem Sessel, als Ralph Batley und Shane ins Zimmer kamen. Mrs Batley hatte von dem Leid gesprochen, das ihrem Sohn widerfahren war, ihr eigenes Unglück, dessen Wurzeln viele Jahre zurückreichten, aber nicht erwähnt. Ihren Worten hatte Linda entnommen, dass Ralph Batley vielleicht verbittert sein mochte, weil ihn seine Braut hatte sitzen lassen, seine Mutter jedoch nur erleichtert war. Offenbar plagten sie deswegen Schuldgefühle.
Als Linda aufsah und die hohe, eindrucksvolle Gestalt von Ralph Batley auf sich
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