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Die Erfuellung

Die Erfuellung

Titel: Die Erfuellung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Cookson
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Ich dachte nur, es wäre ein Lagerraum, das habe ich ja schon gesagt.« Der Drang wegzulaufen, bevor er anfing, ihr sein Liebesnest zu beschreiben, wurde immer übermächtiger.
    »Ich kann Ihnen schon sagen, was es ist.« Seine Stimme klang geradezu träumerisch. »Ich habe dort keine Skelette versteckt oder so etwas. Es ist mein Atelier. Bevor ich Bauer wurde, war ich Bildhauer.«
    Ein Bildhauer! Sie ertappte sich verlegen dabei, wie sie auf seine Hände starrte. Zu allem Überfluss entrang sich seiner Kehle ein merkwürdig abweisender Laut. Dann legte er die Hände zusammen, drehte und wendete sie und starrte sie an, als hätte er sie schon lange nicht mehr gesehen.
    »Ich bin wohl zum Farmer geboren«, meinte er schließlich. »Meine Bildhauerei war nur ein kurzer Traum.« Für einen Augenblick schien er laut zu denken. Dann schleuderte er seine Hände abwärts, als wollte er diesen Traum abschütteln. »Sie müssen mir etwas versprechen«, sagte er hastig, aber ohne die Stimme zu erheben. »Falls Watson Sie in irgendeiner Weise belästigt, müssen Sie mir das sagen. Denken Sie bloß nicht, dass ich nicht auf ihn verzichten könnte. Niemand ist unersetzlich, auch wenn er Ihnen das wahrscheinlich bereits erzählt hat. Glauben Sie ihm nicht! Versprechen Sie mir das?«
    »Ja.« Sie nickte langsam. Einen Augenblick lang sahen sie einander an, dann war das merkwürdige Gespräch beendet. Sie wandte sich ab und ging zur Leiter. Auf der ersten Sprosse stellte sie fest, dass er sich nicht von der Stelle gerührt hatte.
    Erst als sie unten ankam, fiel ihr wieder ein, warum sie eigentlich auf den Heuboden gestiegen war: um Futter zu holen. Während sie noch den Karren betrachtete, den sie sie für die Ballen bereitgestellt hatte, kam Ralph Batley die Leiter herunter. Er ging ohne ein weiteres Wort an ihr vorbei, aber selbst als er verschwunden war, rührte sie sich nicht von der Stelle. Ein Bildhauer, und das war sein Atelier. Aber warum war es abgeschlossen? Offenbar hatte er früher dort gearbeitet. Sie erinnerte sich an Mr Cadwells merkwürdige Behauptung, Ralph Batley würde auf dem Speicher mit Puppen spielen. Es war klar, dass er einige Jahre woanders gelebt haben musste, aber auch nach seiner Rückkehr weiter künstlerisch tätig gewesen war. Sonst hätte er ja kein Atelier gebraucht. Doch warum war es seit drei Jahren abgesperrt, und was war mit dem Mädchen geschehen? Der Gedanke ließ sie nicht los. Wie war diese Frau gewesen? Zum Anbeißen, hatte Sep Watson gesagt. Was war passiert? Sie konnte es sich nicht vorstellen und würde es wahrscheinlich nie erfahren, weil sie nicht die Absicht hatte, sich noch mehr von Sep Watsons Geschwätz anzuhören.
    Bei dem Gedanken an Sep Watson wurde ihr Angst und Bange. Ralph Batley hatte sie gebeten, ihn sofort zu informieren, falls der Melker sie beleidigte. Niemand ist unersetzlich, das waren seine Worte gewesen. Aber damit hatte er sie nur beruhigen wollen, denn gute Landarbeiter waren schwer zu finden. So jemand würde es sich zweimal überlegen, bevor er eine Stelle in diesen trostlosen Hügeln annahm. Wenn wenigstens eine Unterkunft für einen Arbeiter und seine Familie zur Verfügung gestanden hätte, aber die gab es nicht. Allerdings war ihr klar, dass sie dem Melker um jeden Preis aus dem Weg gehen musste, wenn sie sich nicht mit ihm anlegen wollte. Das würde schwierig, wenn nicht unmöglich werden.
    Sie seufzte müde. Es waren fruchtlose Überlegungen, und sie hatte zu tun. Sie fing an, den Karren mit den Heuballen zu beladen. Diese waren so groß und der Karren so schwer, dass sie nicht mehr als zwei auf einmal über den Hof zum Schuppen schieben konnte. Als sie zum vierten Mal unterwegs war und es bereits dämmerte, erschien Shane auf der Bildfläche. Da sie sich mit gesenktem Kopf gegen ihre Last stemmte, sah sie ihn zunächst nicht.
    »Moment mal! Was ist denn hier los? Wo ist Watson?« Beim unerwarteten Klang seiner Stimme richtete sie sich auf und lächelte den alten Mann an.
    »Ach, das geht schon, Onkel Shane. Die Ballen sind nicht allzu schwer, nur unhandlich«, beruhigte sie ihn.
    »Unhandlich! Dass ich nicht lache! Das ist keine Arbeit für Sie, Mädchen.« Er schien wirklich aufgebracht. »Lassen Sie das Zeug liegen und holen Sie Sep Watson!«
    »Nein, lieber nicht. Bitte.« Ihre Stimme klang drängend. »Ich komme schon zurecht. Watson hätte mir bestimmt geholfen, aber ich habe ihn nicht gefragt. Bitte, Onkel Shane«, sie legte ihm die Hand auf den Arm,

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