Die Erfuellung
gehen sollte. Ich muss zur Bank und mit meinem Anwalt reden. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, könnten Sie die Einkäufe erledigen.«
Es machte ihr bestimmt nichts aus, ganz im Gegenteil. Sie war glücklich, aufgeregt und erwartungsvoll wie ein Kind, das auf einen Schulausflug ging. Aber was erwartete sie eigentlich? Wie ein Kind stellte sie sich diese Frage nicht.
Um halb elf wollten sie aufbrechen. Etwa fünfzehn Minuten vorher lief sie ins Haus, zog sich um und legte etwas Make-up auf. Gerade als sie aus dem Zimmer gehen wollte, fiel ihr Rouse Cadwells Taschenlampe ein. Sie zögerte einen Augenblick, bevor sie zur Kommode ging, denn sie hatte nicht die geringste Lust, mit Rouse Cadwell oder einem der anderen Cadwells zu sprechen. Sie stand voll und ganz auf Seiten ihres Arbeitgebers, aber sie hatte sich die Taschenlampe geborgt, und Rouse Cadwell hatte sie erst vor wenigen Tagen daran erinnert. Falls er ihr über den Weg lief, konnte sie sie ihm zurückgeben, wenn nicht, würde sie die Lampe von Morpeth aus mit der Post schicken. Dann war die Sache wenigstens ein für alle Mal erledigt. In aller Eile holte sie die Taschenlampe aus der Schublade und steckte sie in ihre Handtasche. Dann lief sie nach unten.
Wie am ersten Abend richteten sich auch diesmal aller Augen auf sie, als sie die Treppe herunterkam. Shane, Michael, Mrs Batley und ihr Sohn hatten sich in der Halle versammelt und starrten sie so verblüfft an, dass sie ein wenig verlegen auflachte und ihren Mantel glatt strich.
»Ich fühle mich in diesen Kleidern ganz merkwürdig«, meinte sie. »Es ist, als wäre ich seit Monaten nicht aus meinen Reithosen herausgekommen.«
Doch sie erhielt keine Antwort auf diese Bemerkung. Ralph Batley wandte sich zur Küchentür, und seine Mutter folgte ihm, nachdem sie Linda einen langen Blick zugeworfen hatte.
Michael hängte sich an Lindas Arm. »Schade, dass ich nicht mit kann«, meinte er mit bekümmerter Miene.
Shane legte dem Jungen die Hand auf den Kopf, blickte aber Linda an. »Du bist eine Freude für meine alten Augen, Linda. Wenn ich vierzig Jahre jünger wäre, wüsste ich, was ich tun würde.«
»Ach, Onkel Shane.« Linda lachte leise und beugte sich zu ihm. »Da hätte ich mich bestimmt sofort in dich verliebt«, neckte sie ihn.
»Fort mit dir!«, drohte er mit gespielter Strenge und scheuchte sie mit der Hand weg. »Einen alten Mann zu verspotten!«
An der Hintertür wurde Michael, der sich immer noch an ihren Arm klammerte, von seiner Großmutter abgefangen. »Lass los, Kind, und benimm dich. Du verdrückst ja ihre schönen Kleider.«
Ralph Batley saß bereits hinter dem Lenkrad des Jeeps. Als sie auf der Beifahrerseite einstieg, legte er den Gang ein. Sie wandte sich um und winkte der kleinen Gruppe im Hof noch einmal zu. In diesem Moment kam sie sich wirklich vor wie ein Kind auf einem Ausflug.
Die Fahrt nach Morpeth verlief ereignislos, bis auf einen kleinen Zwischenfall. Ralph Batley hatte die Hauptroute durch Widdrington genommen, die direkt nach Ashington führte.
Als sie dort im dichten Verkehr standen, begrüßte ein Mann in einem Kombi links von Linda ihren Arbeitgeber. Offenbar ein Landwirt, der um einiges älter war als Ralph Batley. Obwohl er sich über das Lenkrad in Batleys Richtung beugte, fühlte Linda, wie er sie ansah.
Batley erwiderte den Gruß ohne große Begeisterung.
»Du gönnst dir wohl einen freien Tag?«, fragte der Unbekannte mit breitem Grinsen.
»Nicht direkt.«
So harmlos das Wortgeplänkel über Lindas Kopf hinweg auch klang, sie hatte das Gefühl, dass weit mehr dahintersteckte. Später kam sie zu dem Schluss, dass diese Begegnung die Ereignisse des Tages weitgehend bestimmen sollte, denn als Ralph Batley den Jeep in der Nähe des Marktes abgestellt hatte, war er so kurz angebunden, wie sie ihn am Anfang ihrer Bekanntschaft erlebt hatte.
»Sie haben ja die Einkaufsliste«, meinte er schroff. »Da drüben sind drei Geschäfte.« Er deutete mit dem Finger darauf. »Ich bin so gegen zwei Uhr wieder hier.«
»In Ordnung.« Ihre gute Stimmung war verflogen.
»Wegen des Essens«, begann er, als sie sich schon abwenden wollte. »Die Küche im Earl Grey ist ausgezeichnet.« Dabei erklärte er ihr weder, wo sie das Earl Grey finden würde, noch fragte er sie, ob sie sich dort treffen wollten. Vielleicht hätte er es getan, wenn sie dem Mann mit dem breiten Grinsen nicht begegnet wären, aber das sollte sie nie erfahren.
»Ja, gut, ich probiere es dort. Zwei Uhr,
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