Die Erlösung der Frauen (German Edition)
würde.
// In der Zwischenzeit verbrachte Donald viel Zeit am Fluss. Es war unerträglich heiß und die Menschen sammelten sich an den Gewässern. Diese Zusammenrottung halbnackter Körper erinnerte an die Pavianhügel im Zoo – ein ausgezeichnetes Beobachtungsfeld für das Studium weiblicher Formen. Es gibt nichts Verheißungsvolleres als badende Mädchen. Keine Kultur hat auf dieses Bild verzichtet. Und wirklich, Donald fühlte beim Anblick der planschenden Bikini-Schönheiten rätselhafte Erinnerungen in sich wach werden, die aus den Tiefen der menschlichen Seele zu ihm sprachen, ein magisches Wissen um Liebe, Fruchtbarkeit und Tod, den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen, primitiv, archaisch, antiindividualistisch, einer erlösenden Wahrheit näher als alles andere. Wenn sie seine Blicke spürten und verstohlen zu ihm herüber lächelten, dann war er glücklich.
Am dritten Tag, es war gegen Mittag, 37 Grad Außentemperatur, entdeckte er beim Flanieren eine Dame, die es sich auf einem großen flachen Stein mitten im Fluss bequem gemacht hatte. Sie saß mit dem Rücken zu ihm und hatte die Beine recht adrett an ihrer Seite platziert, so dass sie ihn an eine Meerjungfrau erinnerte. Sie war oben herum nackt und ließ sich genüsslich bräunen, gleichwohl sie ohnehin schon eine recht brasilianische Bräune hatte. Sie trug eine riesige pinkfarbene Sonnenbrille, die Donald hin und wieder erspähen konnte, wenn sie sich leicht zur Seite neigte. Ihr Hund, nicht größer als eine kräftige Ratte, hüpfte hektisch neben ihr herum wie ein batteriebetriebenes Plastikspielzeug. Ihre Haut war ledrig, ihr Gesicht verbraucht, der Körper schlaff, aber sehr gepflegt – so war es schwer zu sagen, wie alt sie war: Zwischen 35 und 60 war alles möglich.
Donald beobachtete sie eine ganze Weile und erfreute sich an ihrer rätselhaften Erscheinung. Er wartete die ganze Zeit darauf, dass sie ihre Position veränderte, schwimmen ging oder auf anderem Wege etwas preisgab, doch sie blieb still sitzen. Nach etwa einer Stunde begann Donald sich zu langweilen und er beschloss, selbst in Aktion zu treten. Er ging ein gutes Stück flussaufwärts, wo er sein Hemd und seine Schuhe ablegte. Er stieg in den Fluss und ließ sich die Strömung hinab treiben. Natürlich war dies ein unglaublich peinliches Manöver, aufdringlich, voyeuristisch, aber zum einen war sich Donald vollkommen sicher, dass diese Meerjungfrau sich nichts sehnlicher wünschte, als von einem Mann begafft zu werden, und zum anderen hatte er ja – wie schon mehrfach erwähnt – diesbezüglich keinen Stolz. Solange eine Handlung dazu diente, dass Mann und Frau sich vereinigten, war sie legitim, ganz gleich welche Konventionen oder Regeln guten Geschmacks dabei gebrochen wurden.
Sein Vorbeigleiten blieb nicht unbemerkt, doch sie ignorierte ihn vollkommen. Sie starrte durch ihre pinkfarbene Sonnenbrille in den Himmel hinauf und rauchte eine Zigarette. Donald hielt es an dieser Stelle für sinnvoll, die Gesamtsituation möglichst humorvoll zu gestalten. Er stieg also ein Stück flussabwärts wieder ans Ufer, spazierte flussaufwärts und wiederholte den Vorgang, wobei er auch diesmal deutlich zu ihr hinblickte. Er sah nun, dass sie vermutlich im Rahmen seiner bisherigen Vermutungen recht jung war, also eher 35. Das machte die ganze Sache noch interessanter, denn nun stellte sich ja die Frage, warum sie so unglaublich verbraucht aussah. Welch schwere Abgründe lagen dem zugrunde? Welch grauenvolle weibliche Tragödien? Was für Komplexe, Enttäuschungen, Abtreibungen, Schönheits-OPs und Drogenexzesse waren hier vorangegangen? Ihre Brüste waren übrigens operiert, das war schon recht deutlich zu erkennen. Das Hündchen und die Sonnenbrille waren eindeutige Signale, dass sie sich in gewissen "besseren" Kreisen zu bewegen versuchte, dass sie sich manieriert gab und wie alle Bussi-Bussi-Szenenixen vorgab, wohlhabend und berühmt zu sein – so sehr, dass sie es selbst schon glaubte.
In dieser Stadt war nun aber diese Form der Manieriertheit dermaßen ausgeprägt und massenkompatibel, dass man im Grunde nie aus der Reihe fiel, im Grunde ganz automatisch auch schon ein Yuppie war, nur weil man sich eine Wohnung leisten konnte. Mit nichts als einer Badehose bekleidet war also auch Donald möglicherweise ein wohlhabender und (mehr oder weniger) berühmter Kandidat für ein sexuelles Intermezzo unter VIPs. Das war auch der Meerjungfrau klar, als er beim dritten Anlauf an der Insel
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