Die Erlösung der Frauen (German Edition)
halt machte und sie ansprach.
Tut mir leid, dass ich hier so reinplatze. Ganz ohne Einladung. Aber ich mag dein Parfum. Was ist das?
Yves Saint Laurent.
Natürlich. Steht ja auch auf deinem Arm.
Mhm.
Kann ich mich kurz dazu setzen? Ich weiß, du bist fast nackt, aber ich verspreche, ich werde dir nur in die Augen schauen.
Ich finde, du solltest lieber weiter schwimmen.
Aber ich bin jetzt doch schon dreimal vorbeigeschwommen.
Das reicht aber noch nicht.
Wie oft denn noch?
Weiß nicht. Probier’s aus.
Na gut.
Donald schwamm wieder ein Stück flussabwärts und stieg dann ans Ufer. Das YSL-Tattoo auf dem Arm der Meerjungfrau hatte ihn unglaublich erregt. Dass sie sich so sehr mit dieser Marke identifizierte, damit gewissermaßen selbst zu einem Produkt dieser Marke wurde, erschien ihm so unglaublich abstrakt und zugleich erbärmlich, dass er gar nicht wusste wohin mit seiner ganzen Aufregung. Er hatte nun die Möglichkeit, mit einem Produkt von Yves Saint Laurent ins Bett zu gehen.
Das tat er schließlich auch – wobei sie auf ein Kondom insistierte. Der Sex war mittelmäßig: Sie ächzte konstruiert, wie in einem langweiligen Pornofilm, ihre Brüste waren hart und kompakt wie bei den Venusstatuen und überhaupt war ihr ganzer Körper knochig. Er drang in sie ein wie in ein Skelett, überzogen mit ledriger Haut. Aber sie fühlte sich so schön. Sie glaubte sich so sexy. Er fickte eine Marmorstatue von Yves Saint Laurent, er war mitten in jener Welt gelandet, mit der er nichts zu tun hatte, in jener Sackgasse des Ästhetizismus, die den sauberen Sex proklamiert und einer Welt ohne Glauben den letzten Rest an Würde nimmt. Hier konnte auch Donald nichts mehr ausrichten. Er war am Ende seiner Kräfte.
Mitten in der Nacht klaubte er das vollgewixte Kondom vom Boden auf und drückte der schlafenden Meerjungfrau sein Sperma ins Gesicht. Es lief langsam, zähflüssig, ihre Nase hinunter, wobei sie – in ihrem Schlaf gestört – heftig schniefte. Donald ließ das Kondom auf ihrem Gesicht liegen und ging nach Hause.
// Am nächsten Tag fühlte er sich ausgelaugt und melancholisch. Er hatte keine Lust zu frühstücken, keine Lust das Haus zu verlassen, keine Lust zu leben. Erneut also dieses neue Antigefühl, das er nur schwer einzuordnen wusste. Viele Frauen hätten ihm sicher einzureden versucht, er sei des wilden Lebens überdrüssig, sehne sich nach Geborgenheit, nach familiärer Bindung und Verantwortung. Aber dem war nicht so, ganz im Gegenteil. Die Angst vor familiärer Bindung (etwa durch eine ungewollte Schwangerschaft) schien im Laufe der Jahre eher zuzunehmen.
Er machte einen kurzen Spaziergang in die Stadt, trank in einem Szenecafé einen Cappuccino und sprach ein paar spanische Touristinnen an. Er langweilte sich und fand dies beängstigend, weil er sich sonst nie langweilte, wenn Frauen in der Nähe waren. Er flanierte durch ein paar Klamottengeschäfte, erst die billigen, dann die teuren, doch er fühlte sich mehr beobachtet als wie ein Beobachter. Er fand Gefallen an einer Hotdogverkäuferin, später an einem Rasta-Mädchen, das ihm einen Antiglobalisierungsflyer in die Hand drückte, danach noch an einer sehr gepflegten, älteren CSU-Dame, die gerade bei einem Jagdausstatter eingekauft hatte. Aber es regte sich nichts. Weder in seinem Kopf noch an seiner Penisspitze. Viele andere Männer hätten sich da vielleicht nichts weiter gedacht, ihnen wäre dieses "Nichts" nicht einmal aufgefallen, weil es ja eben nicht stattfand. Aber für Donald war dies erschütternd, gleichbedeutend mit dem Gedanken, dass man längst gestorben war ohne es bemerkt zu haben.
Er verspürte das dringende Bedürfnis, sich mit einem anderen Mann darüber zu unterhalten. Aber Donald hatte keine Freunde, niemanden dem er seine Gedanken und Befindlichkeiten mitteilte. Genau genommen sprach er kaum privat mit anderen Männern. Ihm waren ja schon die Bemühungen der Frauen zuwider, ihn zur Offenlegung seiner Seele zu bewegen, warum sollte er sich da anderen Männern anvertrauen? Der einzige, dem er vertraute, war Johann, aber nicht weil Johann ihm irgendwie ähnlich war (ganz im Gegenteil). Johann war ein Misanthrop. Er hasste die Menschen und er hasste sich selbst. Er hatte so wenig Interesse am Leben (auch an seinem eigenen Leben), dass er tatsächlich in der Lage war, ein echtes Gespräch zu führen. (Ein Mann, der noch Ambitionen hat, ist dazu in der Regel nicht fähig – er ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt.)
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