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Die Erlösung der Frauen (German Edition)

Die Erlösung der Frauen (German Edition)

Titel: Die Erlösung der Frauen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucius Forster
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antike Motive, ja ganz ohne irgendwelche Reminiszenzen an frühere Kulturen, ohne jede Form schöngeistiger Verklärung. Johann beobachtete die Dinge um ihn herum aus einer so schwindelerregenden Distanz heraus, dass er in seiner grotesk wirkenden Aufmachung wie ein Trugbild wirkte. Nach jedem Blinzeln der Augen, so dachte Donald, müsse man sich versichern, dass er noch da war, dass er nicht nur ein unter dubiosen Umständen zu Tode gekommener Bahnhofsgeist war oder eine obskure Erinnerung aus einem vermeintlichen früheren Leben.
    Sie suchten ohne Umschweife den Burger King auf, wo sie sich in der hintersten Ecke niederließen. Johann machte eine zu erwartende Bemerkung über die gleißende Neonbeleuchtung, deren gnadenloser Zweck es sei, alle Schatten zu tilgen, alle Kontraste aufzuheben. Man fühle sich wie in einem U-Boot oder einem Raumschiff, das ohne Ziel und ohne Zweck durch das Weltall flog. Donald aß einen großen Burger, wobei ihm Johann interessiert dabei zusah und schließlich sehr genau wissen wollte, welcher Belag und welche Sauce sich zwischen den Brötchen befand. Donald gab ihm Auskunft so gut er konnte, wobei er sich immer wieder ablenken ließ von einem jungen, vielleicht 18-jährigen rothaarigen Mädchen am Nachbartisch mit ungemein bleicher, elfenbeinfarbener Haut und riesigen Kreolenohrringen, die allein am Tisch saß und ein ganzes Menü in sich hineinstopfte. Johann amüsierte sich über Donalds zunehmende Nervosität und fasste den spontanen Beschluss, das Mädchen auf eine Cola einzuladen und an ihren Tisch zu bitten, was diese natürlich als eher furchteinflößend interpretierte und deutlich ausschlug. Donald war über diese Aktion nicht sonderlich erfreut, allerdings war ihm ohnehin klar gewesen, dass ein Abend mit Johann auch ein Abend ohne Beute werden würde.
    Relativ zügig kam er denn auch auf sein Problem zu sprechen, schließlich war Johanns Einschätzung hierzu für Donald der einzige wirkliche Grund zu diesem Treffen. Er erzählte ihm von seinem Abenteuer mit Alexia, seiner gestrigen Enttäuschung mit Yves Saint Laurent und seinen seltsamen Depressionsschüben, die ihn seit der Nachricht von Gabrieles Krebserkrankung immer wieder heimsuchten. Johann lauschte diesen Ausführungen mit ernsthaftem Interesse. Es war eine seiner wenigen sympathischen Eigenschaften, dass er sich voll und ganz auf sein Gegenüber konzentrieren konnte und sich selbst in dieser so hektischen Umgebung nicht ablenken ließ. Dennoch schien er am Ende von Donalds Erzählungen recht ratlos zu sein. Er wusste nicht genau, ob Donald wirklich eine Stellungnahme erwartete. Eine ganze Weile saßen sie schweigend da und lauschten dem Gemurmel, Geschrei und Geklapper im Hintergrund, den surrenden Kühlschränken, dem blubbernden Getränkespender und dem Zischen der Friteuse.
    Ich kann dazu eigentlich nichts sagen. Ich finde das vollkommen normal. Ich habe ständig Depressionen.
    Aber warum denn?
    Die Frage stellt sich mir nicht. Ich wundere mich eher wenn ich morgens aufwache und gut gelaunt bin. Sowas macht mich richtig nervös.
    Das klingt total beschissen.
    Ich kann nichts dafür. Ich bin geboren mit dieser Unfähigkeit zur Illusion. Alles was ich mache ist nur antrainiert. Ich bilde mir nichts ein auf meine Eitelkeit und meinen guten Geschmack. Ich tue das nur, um mich zu disziplinieren, um mir den letzten Hauch an Selbstachtung zu bewahren. Denn in Wahrheit kann ich mich für rein gar nichts begeistern. Ich finde alles langweilig, die ganze Welt und das ganze Leben. Alles was die Leute tun und woran sie glauben ist nur möglich mit einer richtig dogmatischen Verweigerung, das angeeignete Bild von der Welt und sich selbst in der Welt auch nur annähernd in Frage zu stellen. Der Mensch ist reine Fiktion. Man orientiert sich an ein paar vorgefertigten Erzählungen und Stereotypen und dann glaubt man, eine Identität zu haben und schließt aus, dass diese Erzählungen alle austauschbar sind. Aber sie sind es. Man kann doch heutzutage nicht ernsthaft noch eine Notwendigkeit erkennen in der Art wie man lebt. Du hast dich jetzt dazu entschlossen, ein Frauenheld zu sein, ein Don Juan, und du hast dich so sehr an dieses Leben gewohnt, dass es dir vollkommen abwegig erscheint, das Klischee zu wechseln und zum sorgenden Familienvater zu werden. Es gibt aber keinen grundsätzlichen Defekt, der dich daran hindern würde, die Rolle zu tauschen. Du würdest dich auch daran irgendwann gewöhnen und unter uns zeigt die

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