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Die Ernaehrungsfalle

Titel: Die Ernaehrungsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ulrich Grimm
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oder viel Milch geben müssen, werden mit ausgeklügelten Getreide-Kraftfutter-Mischungen versorgt. Und just diese begünstigen die Verbreitung von E.coli 0157:H7. Das fanden amerikanische Wissenschaftler von der Cornell-Universität in Ithaca zusammen mit Experten des Agrarministeriums aus Washington schon im Jahre 1998 heraus. Der Grund, so die Forscher in ihrer Studie, die im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht wurde: Das Getreide, mit dem die Tiere gefüttert würden, wird im Magen der Tiere nur unvollständig abgebaut und gelangt deshalb unverdaut in den Darm. Dort beginnt es zu gären, es bildet sich ein saures Milieu. Die Bakterien werden dadurch gewissermaßen abgehärtet, sie gewöhnen sich an saure Umgebung und überstehen später im menschlichen Magen auch die Attacken der menschlichen Magensäure. Die widernatürliche Form der Fütterung mit Getreide statt Gras züchtet also förmlich jene resistenten Bazillen. Wenn die Tiere Getreide bekamen,
fanden sich 250 000 E.coli-Zellen von der gefährlichen Sorte pro Gramm im Darminhalt. Bei den Tieren, die Heu oder Gras bekamen, waren es nur 20 000 Zellen. Und die lebten nicht lange: 99,99 Prozent von ihnen wurden durch die Magensäure beim Menschen abgetötet - und konnten keinen Schaden mehr anrichten.
    Der Krankheitskeim, einmal in der Welt, ist äußerst langlebig, kann Monate in tierischen Exkrementen überleben und sogar mehr als acht Wochen auf trockenem, blankem Edelstahl, wie er beispielsweise in Großküchen oft verwendet wird. Selbst eisige Atmosphäre stört ihn nicht sehr: Er übersteht Tiefgefrieren und vermehrt sich selbst bei frostigen zehn Grad unter Null. Kälte kann sogar bewirken, dass er sich noch besser an seine Wirtszellen anklammert. Und: Er widersteht auch sauren Magensäften, gelangt unbeschadet in den → Darm , wo er seine Tätigkeit aufnimmt, manchmal sorgt er nur für Durchfall, manchmal bringt er den Tod. Ende 1998 wurde in Deutschland eine Meldepflicht eingeführt. Die »weitere Ausbreitung« der Erreger gebe »zur Sorge Anlass«, schrieben führende deutsche Seuchenexperten in einem Sonderheft des Bundesgesundheitsblattes.
    Eigentlich ist das E.coli-Bakterium vollkommen harmlos. Es wurde 1885 von dem deutschen Kinderarzt Theodor Escherich entdeckt und nach ihm benannt: Escherichia coli. Jeder trägt es in sich, es hilft dem Magen-Darm-Trakt bei der Verdauung. Die neuen Varianten haben allerdings mit ihren harmlosen Verwandten fast nur noch den Stammbaum gemein, denn einige E.coli-Bakterien haben sich von einem friedfertigen Begleiter des Menschen in einen gefährlichen Feind verwandelt. Irgendwann in neuerer Zeit hat sich - auf ungeklärte Weise - eine E.coli-Bakterie der harmlosen Sorte ein Gen vom Erreger der Bakterienruhr aufgeschnappt und sich dann kräftig vermehrt. Die neuen, gefährlichen Vertreter der Coli-Familie heften sich an die Darmwand an und sondern dort große Mengen eines aggressiven Gifts ab, das sogenannte Shiga-Toxin, das zu den gefährlichsten giftigen Mikrobensubstanzen zählt, die überhaupt bekannt sind. Es zerstört Darm- und Nervenzellen sowie die
Innenwände der Blutgefäße, vor allem in der Niere. Die Menschen reagieren unterschiedlich auf den Angriff der Bazillen: Einige werden selbst mit den Angreifern fertig, spüren gar nichts oder werden nach einigen Tagen Durchfall von selbst wieder gesund. Bei manchen sind blutende Entzündungen des Dickdarms, Fieber und Erbrechen die Folge.
    Anfang der Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts war die neue, gefährliche Variante des E.coli-Bakteriums nur bei fünf Prozent aller Rinder festzustellen; 1997 schon bei jedem dritten Tier, wenige Jahre später schon bei knapp 50 Prozent aller Rinder, im Jahre 2005 bei achtzig Prozent. Selbst → Bio-Produzenten sind betroffen, beispielsweise das bayrische Unternehmen Chiemgauer Naturfleisch, das etwa die Öko-Supermarktkette Basic beliefert. Am 24. September 2004 verbreitete die Münchner Regierung die Meldung: »Bayerisches Verbraucherschutzministerium warnt vor dem Verzehr von Salametti.« In den Würsten der Firma Chiemgauer Naturfleisch GmbH seien »EHEC-Bakterien nachgewiesen« worden. Von Erkrankungen wurde, glücklicherweise, nichts bekannt.

Eier
    Bei Eiern klaffen der Wunsch der Verbraucher und die Wirklichkeit in der Nahrungskette weit auseinander. Die Verbraucher hätten gern Eier von glücklichen Hühnern. Die → Supermarktketten und Nahrungskonzerne können diesem Wunsch nur unvollkommen

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