Die Ernaehrungsfalle
nachkommen. Denn sie brauchen Eier in unvorstellbar großen Mengen: Allein Rewe, der größte deutsche Lebensmittelhändler, verkauft nach eigenen Angaben über eine Milliarde Eier pro Jahr, davon zehn Prozent nach → Bio-Regeln erzeugt. Und da Supermärkte möglichst billig sein wollen, müssen die Eier möglichst rationell erzeugt werden - was in der Regel auf Kosten des Glückes des Huhnes geht. Ein großer Teil der Eier wird zudem nicht direkt verzehrt, sondern in Backwaren oder → Fertiggerichten . Das Ei ist daher nicht nur eierförmig und mit Schale erhältlich, sondern
auch im Tetrapak als Flüssigei, als Stange, Pulver, oder nur als Geschmack von Huhn.
Wie glücklich die Hühner sind, hängt von den Regeln ab, nach denen sie leben. Bei der in Deutschland mittlerweile verbotenen Käfighaltung waren es 550 Quadratzentimeter pro Huhn, bei der sogenannten »Kleingruppenhaltung« sind es 890 Quadratzentimeter - etwas mehr als eineinhalb DIN-A4-Seiten. In der gewöhnlichen Bodenhaltung drängeln sich neun Hühner auf einem Quadratmeter, macht 1111 Quadratzentimeter pro Huhn - weniger als zwei DIN-A4-Seiten. Bis zu 6000 Hühner dürfen auf diese Art zusammengepfercht werden.
Weniger als fünf Prozent aller Legehennen leben in Öko-Bauernhöfen. Die Öko-Verordnung der Europäischen Union erlaubt 230 Hennen pro Hektar Fläche, die Ökoverbände lassen höchstens 140 Tiere je Hektar zu. Die Fläche muss ökologisch bewirtschaftet werden. EU-Öko-Hennen dürfen jedoch auch konventionelle Körner fressen. Und das Futter muss nicht unbedingt vom eigenen Hof kommen. Dank dieser EU-Bio-Regeln ist auch → Massentierhaltung mit Bio-Siegel möglich. Sogenannte Freiland- oder Bodenhaltung muss nicht im strengen Sinne »öko« sein. Die Hühnerkonzerne nennen sie »alternativ«, und die Verbraucher vermuten hier so ein bisschen bio.
Da die armen Hühner aber von den Eierkonzernen in Massen gehalten werden, entwickeln sie häufig Krankheiten, werden aggressiv, neigen zur Gewalt gegen das Nachbarhuhn, verbreiten → Salmonellen . Je industrieller die Hühner gehalten werden, desto häufiger enthalten die Eier die Erreger. Im Preiskampf der Supermärkte läuft alles auf die rationelle Großproduktion hinaus - auch bei Öko-Eiern und vor allem den vorgeblich glücklichen Hühnern aus der Boden- und Freilandhaltung. Weil es von den Eiern von glücklichen Hühnern nicht genügend billige gibt, kommt es immer wieder zu → Eierfälschung .
Eierfälschung
Weil die Lieferanten der → Supermärkte → Eier von glücklichen Hühnern oft nicht in den gewünschten Mengen zum gewünschten Preis liefern können, werden immer wieder Eier aus zweifelhaften Quellen zu ethisch korrekter Ware umgewidmet. Häufig wurden Fälle dokumentiert, in denen Erzeugnisse von Käfighühnern zu Bodenhaltungsoder Freilandware aufgewertet wurden, oder Eier von gewöhnlichen Hühnern zu → Bio-Eiern . Zwar soll durch die Identifikationsnummern auf dem Ei ( www.was-steht-auf-dem-ei.de ) Betrug verhindert werden, doch Tierschützer argwöhnen, dass beliebige Eier einfach mit irgendwelchen Herkunftsstempeln versehen werden.
Einer der größten Betrugsfälle ereignete sich in den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Der Eierhändler Engelbert Homann hatte ein internationales Imperium aus Phantombauernhöfen und Briefkastenfirmen aufgebaut und verwandelte mit getürkten Lieferscheinen und gefälschten Rechnungen millionenfach Quäl-Eier in alternative Qualitätserzeugnisse. Wegen 81 Millionen Stück erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. 18 Millionen Schwindel-Eier konnten ihm vor Gericht eindeutig nachgewiesen werden. Er wurde dafür 1996 vom Amtsgericht Rheine zu eineinhalb Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Ein Kompagnon erhielt ein halbes Jahr auf Bewährung. Homann hatte die Eier indessen nicht eigenhändig an die Supermärkte geliefert, sondern an zahlreiche Zwischenhändler - die Firma Gutshof-Ei beispielsweise. Diese wurde indessen nicht bestraft, obwohl sie, wie aus beschlagnahmten Unterlagen hervorging, 36 Millionen Schwindel-Eier von Homann bezogen und an Supermärkte weiterverkauft hatte. Gutshof-Ei gehört zu den Giganten der Branche. Das Unternehmen macht Millionen-Umsätze, verkauft eine Milliarde Eier aus eigener Produktion und neun Milliarden von Vertragsbetrieben an große Supermarktketten wie Tengelmann und Rewe, Karstadt und Kaufhof. Das Verfahren gegen die beiden Firmenchefs, die Freiherren Hans-Wilhelm und Hans-Thomas
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