Die Ernte
heute gewesen war. Nachdem sie heute alles geteilt hatten. Nachdem Bill seinen eigenen Vorsätzen untreu geworden war. Nach der Sünde, die sich gar nicht wie eine Sünde anfühlte.
Nachdem er das Wort Liebe ausgesprochen hatte. Das unsinnigste Wort, das ihm jemals über die Lippen gekommen war.
Er packte das Lenkrad und schaute durch die Windschutzscheibe seines Pickups. Die Verkaufsstände des bevorstehenden Blütenfests waren noch stumm, mit Plastik verhängt und in Erwartung des morgigen Besucheransturms. Die Häuserfronten schliefen noch, die Straßen waren schwarz und leer. Ein Polizeiwagen fuhr weiter oben auf der Straße durch die Verkaufsstände, seine Scheinwerfer erleuchteten für einen Moment Holzschilder, aufeinander gestapelte Kisten und vorbereitete Kulissen.
Bill blickte auf die weiße Fassade des Haynes Hauses, das morgen von Kinderlachen, Touristen in lächerlichen Polyester-Trainingsanzügen, Studenten mit nachlässigen Haarschnitten und den Einheimischen in Overalls und gestärkten rosa Kleidern erfüllt sein würde.
Er schaute auch auf die Bühne, auf der Sammy Ray Hawkins morgen vor einem ihn anhimmelnden Publikum spielen würde. Seine Ex-Frau würde in der ersten Reihe sitzen und in der Menge nach Bills Gesicht suchen. Ihr Mund würde dick mit rotem Lippenstift geschminkt und ihr Haar nach der letzten Mode gestylt sein. Sie würde eine mohnrote Bluse mit tiefem V-Ausschnitt tragen, damit ihre frei zur Schau getragene Brust besser zur Geltung käme. Ihr Haar würde ihr lachendes Gesicht umschmeicheln und von einer leichten Brise, die ihr immer zu folgen schien, aufgewirbelt werden.
Und Bill wusste, dass er sie begehren würde, wenn auch nur für einen kurzen Moment. Aber wenn er sich jetzt schon darauf vorbereitete, wenn er um Festigkeit betete, dann würde sich sein Verlangen vielleicht gemeinsam mit seinem Hass in Nichts auflösen. Und die Narben in seinem Herzen, die der Herr schon heilen lassen hatte, würden nicht wieder aufbrechen und zu bluten beginnen. Es war komisch, dass er gerade jetzt an sie dachte, wenn er doch Nettie hatte, die ihn voll und ganz erfüllte, seine Haut, seinen Verstand und seine Erinnerungen beherrschte und sein Ohr mit ihrer weichen Stimme erfüllte. Aber die Wurzeln seiner ersten Bindung waren noch tief und sein Eheversprechen, obwohl bereits oft gebrochen, war noch präsent.
Er hoffte nur, dass Nettie den Nachmittag mit ihm nicht schon bereute. Er konnte es eigentlich nicht glauben, aber warum hatte sie nicht wie vereinbart in ihrer Wohnung auf ihn gewartet?
Bills Magen krampfte sich zusammen. Er war sich sicher, dass irgendwo der Teufel gerade jetzt über ihn lachte. Was für einen Streich der Dämon ihm gespielt hatte. Hatte Bill vom Weg des Herrn abgebracht und auf sein schwaches Herz hören lassen. Hatte Bill dazu verführt, mit einer rechtschaffenen Frau eine Sünde zu begehen, eine Tat, die auch sie zur Verdammung verurteilte. Er konnte in seiner Vorstellung schon den Teufel mit den Lippen schmatzen hören, in Vorfreude auf die Qualen, die er Nettie bereiten würde.
Aber, verdammt noch mal – verzeih mir, Herr – es hatte sich weder falsch noch schmutzig angefühlt. Ganz im Gegenteil, es war schön und richtig, auf einer Decke inmitten einer Wiese unter den Blicken des Herrn. Es war wie Liebe, etwas, das so wunderbar war und nichts, das der pferdefüßige und rotschwänzige gefallene Engel in etwas Schmutziges und Widerliches verdrehen konnte. Und verdammt sei – verzeih mir, Herr – jeder Dämon oder jeder Mensch, der versucht, mich und meine neue Liebe auseinander zu bringen.
Aber Zweifel waren noch immer da. Der Teufel war trickreich. Der Teufel hatte die Kraft, dass Nettie ihre Liebe nur vorspielte. Satan konnte sie ihre Bluse öffnen und ihr Fleisch zur Schau stellen lassen, als wäre es ein rituelles Opfer. Satan konnte Nettie als sein Instrument benutzen, um seine Seele zu erlangen.
Warum konnte sich Satan nicht mit seiner Ex-Frau zufrieden geben, anstatt auch die im Herzen Reinen zu verführen? Aber vielleicht war das ja viel interessanter, die Verführung der Unschuldigen. Das hatte wahrscheinlich eine so große Anziehungskraft für den Herrn der Verdammnis wie die Schokoglasur einer Torte für ein Kind.
Und vielleicht lag ja Nettie gerade unter ihrer weißen Bettdecke in ihrem winzig kleinen Zimmer und weinte vor Scham, dass sie von ihm benutzt worden war. Nettie würde sich schlecht fühlen und Gott um Vergebung bitten. Nettie
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