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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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vielleicht würde die Hilfe ja in der furchtbaren Gestalt von Amanda Blevins zu ihr kommen.
    Oder der Priester selbst, der jetzt im Licht der Kerzen in der Kirche stand, noch immer mit seiner Hose bis zu den Knöcheln heruntergelassen und mit Augen so tief wie der Schlund der Hölle.  Vielleicht wenn sie die Pfarre erreichen konnte, vielleicht war ja Sarah zuhause, vielleicht konnte sie bis dorthin robben... . .
    Es waren nur knapp dreißig Meter. Aber der Schmerz war wie ein dumpfes Feuer knapp über ihrem Fuß und sie musste mit den Händen tief in die Erde graben um sich nur ein paar Meter vorwärts zu ziehen. Kleine Steine gruben sich in ihre Hüfte und das Gras zerrte an ihrem Rock. Sie war erst zehn Meter von der Kirche entfernt, als sie die Geräusche hörte.
    Zuerst dachte sie, es wäre eine zerborstene Wasserleitung oder ein feuchter Wind, der durch die Baumwipfel fegte. Doch dann sah sie die Schatten, die am Rande des Friedhofs langsam aus dem Wald kamen. Sie wollte schon rufen, weil sie sich von ihnen Hilfe erhoffte.
    Aber wer würde schon gegen Mitternacht auf einem Friedhof spazieren gehen?
    Dann sah sie ihre Augen. Drei Paar fluoreszierende Kreise, die wie fette Fliegen in der Dunkelheit tanzten. Es gab also mehr von denen.
    Mehr von dem, was Amanda Blevins geworden war.
    Nettie biss sich in die Zunge, um einen Schrei zu ersticken, und der daraus resultierende Schmerz pochte in ihrem Mund.  Sie packte ihr verletztes Bein mit beiden Händen und drehte sich auf den Rücken, während sie versuchte ihre Schmerzen zu ignorieren. Sie rollte sich hinter einem großen Grabstein aus Marmor zusammen und presste ihren Körper gegen die glatte Kälte des Steins. Die Inschrift "William Franklin Lemly, 1902-1984" war als dunkles Relief in den mondbeschienenen Alabaster eingraviert. Bills Großvater.
    »Hilf mir, Bill«, flüsterte sie mit einer Wange am Stein. Die drei Figuren traten – traten war nicht das richtige Wort, sie FLOSSEN – in das Mondlicht und Nettie konnte die grünliche Farbe ihrer Körper sehen. Ihre Köpfe erinnerten sie an Früchte aus Wachs, die in Motoröl getaucht worden waren.
    Sie schwebten über die grasbedeckten Knochen der Toten so, als ob sie selber tot wären, mit dem gleichen feuchten Schmatzen, das Amanda von sich gegeben hatte, als sie in die Kirche kam, eine Mischung aus Schleim und Gelatine. Sie erkannte zwei von ihnen, Hank und Ellen Painter, Mitglieder der Windshake Baptistengemeinde, die am Stony Fork lebten. Der Dritte war so verrottet, dass sie nichts mehr erkennen konnte. Nicht einmal das Geschlecht war unter seinen zerrissenen und verwesten Kleidern erkennbar.
    Die drei näherten sich dem Licht der Kirche wie die Heiligen Drei Könige, die ein Wunder erblickten. Nettie spähte hinter ihrem Stein hervor und war sich sicher, dass ihr hämmernder Puls sie verraten würde. Aber die glühenden Augen waren auf ihre geliebte Kirche fixiert.
    Nettie sah zu, wie sie die Stiege hinauf stolperten und zusammenmatschten, als sie alle gleichzeitig durch die Türe eintreten wollten. Sie fielen in die Kirche und stöhnten mit nassen Stimmen, vielleicht priesen sie den Herrn oder sie verfluchten den Gott, dem sie jetzt zu dienen schienen.
    Nettie zog sich weiter über das Gras und es fühlte sich wie die Haare der Erde an, eine Erde, die Tau schwitzte und den Wind ausatmete. Ein brennender Schmerz flammte in ihrem Bein auf. Sie krabbelte hinter eine hohe Statue von einem Engel, der eine Harfe in der Hand hielt und in den Himmel blickte. Nettie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Statue, bedacht darauf, dass zwischen ihr und der Kirche das steinerne Monument war, und blickte selbst in den Himmel.
    Herr, du hast schon so viele Wunder vollbracht.Wenn das das Ende der Welt ist, gib mir bitte die Kraft, Deine Schmerzen zu ertragen. Wenn dies erst der Anfang ist, wie wird dann das Ende aussehen? Dein Wille geschehe. Bitte vergib mir, oh Herr, aber ich werde versuchen zu überleben. Denn mein Leben hat mir gefallen, bis diese Dämonen aus der Hölle gestiegen sind. Vergib mir, dass ich nur ein Mensch bin, ein Mensch, der noch nicht bereit ist, seine Seele aufzugeben! Amen.
    Durch einen Busch konnte sie ihr Auto erkennen, das zwanzig Meter entfernt auf dem Parkplatz unter den Straßenlaternen funkelte. Aber das Auto war keine richtige Option, weil sie wegen ihres gebrochenen Knöchels die Pedale nicht bedienen konnte. Ihre beste Chance war, die Pfarre zu erreichen und von dort Hilfe zu

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