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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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raschelnde Laub, als ob er Schwierigkeiten hatte, seine Beine zu heben.
    Eine einsame Krähe flog über sie hinweg und ließ sich schließlich auf einer Baumkrone nieder. Der Vogel krächzte ein paar Mal, aber das Krächzen wurde von den krank aussehenden Baumwipfeln geschluckt. Chester kaute den frischen Tabak in seinen alten Pfriem hinein und genoss die Schärfe des Nikotins auf seinem Gaumen. Die Flasche mit dem schwarzgebrannten Schnaps in seiner Tasche war schon halb leer. Er überlegte, ob er einen Schluck nehmen sollte, entschied sich dann aber dagegen.
    Scheiße, wurde er schon religiös? Als nächstes würde er den Teufel für das verantwortlich machen, was dem alten Don Oscar passiert war. Vielleicht wäre ja dies die einfachste Antwort. Dann könnte man alles auf Gott schieben und wir könnten zufrieden nach Hause gehen.
    Er wackelte mit seinem Kopf und blickte sich um. Sie waren nicht mehr weit von Don Oscars Farm entfernt. Wenn da grüne Lichter waren, sollte er sie von der Anhöhe sehen können. Die Sonne senkte sich schon langsam auf die langen Finger der Bäume und würde sich bald hinter den Bergrücken verkriechen und für den heutigen Tag sterben. Chester überlegte gerade, ob er nicht seine eben begonnene Abstinenz auch schon wieder durchbrechen sollte, als er die gähnende Öffnung sah.
    »Ach du liebe Scheiße«, murmelte er. Dann, laut genug, dass DeWalt ihn hören konnte, rief er durch die Bäume nach seinem Begleiter.
    »Was ist…Chester? Hast du etwas gesagt?«, rief DeWalt zwischen zwei Atemzügen.
    »Bewege deinen breiten Arsch hierher und zwick mich. Sonst glaube ich noch, dass ich träume.«
    »Ich…komme schon…du alter Idiot«, sagte DeWalt und beschleunigte schnaufend seine Schritte. »Mach dir nicht ins Hemd.«
    Chesters Finger zitterten am Abzug seines Jagdgewehrs. Nicht, dass ein Schuss aus dem Gewehr irgendetwas gegen DAS hätte ausrichten können.
    Dann stand DeWalt neben ihm und sagte mit rauer und schwacher Stimme: »Guter Gott!«
    »Das hat wohl nichts mit Gott zu tun«, antwortete Chester. »Sieht wohl eher wie das Tor zur Hölle aus, wenn du mich fragst.«
    Unter ihnen, zwischen den von Moos bewachsenen Granitfelsen leuchtete ein grünes Licht, verschwommen und Unglück verheißend. Chester wurde durch das Licht an das Leuchten der Flippermaschine an der Tankstelle in Caney Fork erinnert. Man musste den Ball in den hohlen Nabel einer Las Vegas-Tänzerin schießen, um ein Bonusspiel zu gewinnen. Aber so wie es aussah, war der Jackpot hier eine reine Nullnummer.
    In den Felsen musste so etwas wie eine Quelle sein, denn ein zähflüssiger Schleim floss langsam die enge Schlucht hinunter.  Und er ähnelte überhaupt nicht dem klaren Bergwasser, das hier normalerweise floss. Er glitzerte wie ranzige Weintrauben, so als ob nur ein Teil des Lichtes reflektiert und der Rest absorbiert würde, verschluckt und zu der versickernden grünen Zunge wurde, die sich zwischen den Bäumen in Richtung Stony Creek schlängelte. Der Schlamm der Bachufer war mit langen weißen Wurzeln durchzogen, so als ob tausende Riesenspinnen hier ihre Netze gesponnen hätten.
    Die Bäume, die in der Nähe des Ausflusses standen, waren verkrüppelt und knorrig schwarz, so als ob der Blitz in sie eingeschlagen hätte. Es kam Chester so vor, als ob die Bäume plötzlich Köpfe bekommen hätten, die sich niederbeugten, um ihre eigenen Stämme zu verspeisen. In der schweren, ruhigen Bergluft war kein einziges Tier zu hören. Es war fast so, als hätte der Quell des grünen Lichts die Atome der Atmosphäre verschluckt.
    Verschluckt , das war das richtige Wort, denn das Ding da erinnerte Chester wirklich an einen Riesenschlund. Es war eine Grotte, eine gezackte Öffnung in den Felsen. Rund um die Öffnung konnte man Erde sehen, so wie ein Murmeltier seine Höhle baute. Chester konnte bis tief in die Grotte sehen, denn das fluoreszierende Licht kam von irgendwo im Inneren der erdigen Kehle.
    An den Wänden der Höhle baumelten gelbliche Tentakel und Dolden wie dünne schmierige armlange Stalaktiten. Sie zuckten und zogen sich wie blinde Maden zusammen, die auf der Suche nach Nahrung waren.
    Der Schlund der Grotte war groß genug, um ein Dutzend Menschen in sich aufzunehmen. Lehmfarbige Steine verbargen sich in der Höhle wie Zähne, die nur darauf warteten, etwas zermalmen zu können. Weiter unten, in der Kehle leuchteten unnatürliche Farben in hellem Gelbgrün, elektrischem Zitronengelb und Cadmium, die in der

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