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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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Schulter durch die geschlossene Tür hindurch. »Nur noch ein Kunde, Peg. Mach jetzt weiter.«
    Mein erster Versuch als Zuhälter gestaltet sich doch nicht so einfach, wie ich gedacht hatte. Und wenn es Peggy wirklich dem alten Knaben hier gratis besorgt hatte, dann habe ich sie wohl nicht befriedigen können. Wenn ich Gefühle hätte, dann wären sie jetzt gekränkt.
    Aber er könnte die Situation noch zu seinem Vorteil nutzen. Vielleicht hatte der Einäugige ja noch genug von seiner Pension übrig, dass er zumindest mal an seinem Produkt schnüffeln konnte. Es war ein klassischer Fall von Angebot und Nachfrage, und die Nachfrage schien im Moment zu stimmen. Und das Angebot würde auch nicht davonlaufen.
    Er wollte gerade seinen Mund öffnen, um dem alten Sack die neue Lage zu erkläre, als ihm die Mundwinkel bis zu seiner Brust absackten. Denn er sah, dass sich ihm hinter dem Einäugigen etwas näherte.
    Sylvester war nach Hause gekommen, oder zumindest ein Teil von Sylvester. Er näherte sich ihnen mit glühend grünen Augen und ausgestreckten Armen, wie ein vollgedröhnter Schlafwandler. Aus seinem Mund tropfte bernsteinfarbiger Saft und als er ihn öffnete, konnte man zitternde Fasern darin sehen. Seine ausgestreckten Finger sahen aus wie die Zweige eines wilden Apfelbaums. Er sah hungrig und geil und fröhlich und verärgert und verwest zugleich aus.
    Bei dem schmatzenden Geräusch von Sylvesters Schritten drehte sich der Einäugige um. Sein Gehirn konnte gerade noch Zombie schreien, dann lief er der Kreatur genau in die Arme.
    Einauge hatte nicht einmal genug Zeit um sich zu schrecken oder um Gnade zu bitten, bevor Sylvester bereits seine Arme um sein dünnes Gerippe gelegt hatte und seinen Mund auf seine dünnen, aufgesprungenen Lippen presste.
    Jimmy wich bis zur Schlafzimmertüre zurück. Es war die einzige Bewegung, die seine gelähmten Muskeln noch durchführen konnten. Der Sylvester-Zombie – Zombie , dieses Wort zuckte durch seine Gehirnwindungen – stülpte seinen matschigen Mund über das Gesicht von Einauge und saugte und blies zugleich.
    Das eine Auge des alten Soldaten wurde groß und bewegte sich ungläubig in der Augenhöhle hin und her, so als würde es nach dem Sensenmann Ausschau halten, oder nach einer Begleitung für seine Reise in die Hölle oder vielleicht auch nur nach einem letzten Bild von der Erde, das es ins Grab mitnehmen konnte – eine Glühbirne oder ein Nagel oder ein Bild von Elvis – egal was, nur etwas Bekanntes, das ihm auf der Fahrt in die Ewigkeit Trost spenden würde. 
    Als der Sylvester-Zombie den Einäugigen endlich losließ, fiel der Alte wie ein Sack auf den Boden – tot, aber mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Tot, aber glücklich darüber. Tot, aber mit einem Auge, das noch immer die Welt um sich herum betrachtete. Tot und wieder am Leben, so als ob er Jimmy beweisen wollte, dass die guten alten Zeiten noch nicht vorbei waren.
    Jimmys Verstand brach wie ein Kartenhaus aus nassen Schuhschachteln in sich zusammen, verkroch sich in sich selbst und krümmte sich wie ein Fötus zusammen, als der Zombie – Zombie , das war sein letzter Gedanke, werde ich auch ein Zombie sein? – ihm den Bruderkuss, die Magie, die Glorie, die Kraft und das schleimige Tentakel seiner Zunge gab und sie einen tiefen Atemzug aus Sternenstaub und Brackwasser teilten.
     
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    Peggy schaute zu ihrem Nachtkästchen und auf das Geld, das zwischen dem überquellenden Aschenbecher und dem staubigen Wecker lag.  Das war ein schöner Batzen. Sie würde sich erst später um sich selbst kümmern, zuerst kamen die Kinder an die Reihe. Heute würden sie ausnahmsweise ein richtiges Abendessen bekommen.
    Howard rollte sich von der Matratze hinunter und das Bett federte wegen der Gewichtsverlagerung wie ein Trampolin. Sie sah ihm zu, wie er seine Beine in die Unterhose steckte und sich dann nach seiner Hose bückte. »Na Süßer, wie hat es dir gefallen?«
    Sie konnte sich an diese Art der Arbeit gewöhnen. Es gehörte eben zum Job dazu, dass sie sich verstellen musste. Verdammt, das war ja gar nicht so anders wie ein normaler Tag.
    Howard nickte und grunzte etwas.
    »Sag mir einfach, wenn du noch Lust auf Nachschlag hast«, sagte sie. Nicht anders als damals, als sie Schneewittchen gespielt hatte.
    Aber hier gab es keinen Zauber, keine Erlösung. Sie spürte nur eine Leere.
    Und natürlich fünfzig Dollar. Vergiss nicht die fünfzig Dollar.
    Sie griff nach einer Zigarette und zündete sie an,

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