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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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bestimmte Krawatte um, die ihm »ein pfäffisches Aussehen« verlieh, wie er sich ausdrückte. An den Cafés ging er gesenkten Blicks vorbei. Im Marienwerk achtete man ihn. Wenn die Mädchen im Hof spielten, hob er manchmal eine Ecke des Vorhangs, schaute ihnen mit väterlicher Miene zu, und kurze Flammen loderten unter seinen halbgeschlossenen Lidern auf.
    Die Trouches wurden auch noch durch Frau Faujas in Schach gehalten. Die Tochter und die Mutter lagen in ständigem Streit, die eine beklagte sich, immer für ihren Bruder aufgeopfert worden zu sein, die andere schalt sie ein böses Tier, das sie in der Wiege hätte zerdrücken sollen. Da sie an derselben Beute nagten, paßten sie aufeinander auf, ohne den Bissen loszulassen, waren wütend, konnten es nicht erwarten, zu wissen, welche von beiden das größte Stück herausschnitt. Frau Faujas wollte das ganze Haus haben; sie verteidigte sogar dessen Kehricht gegen Olympes lange Finger. Als sie gewahr wurde, was für große Summen Olympe Marthe aus den Taschen zog, wurde sie fürchterlich. Da ihr Sohn die Achseln zuckte wie ein Mann, der diese Lappalien verschmäht und sich gezwungen sieht, die Augen zuzudrücken, hatte sie eine entsetzliche Auseinandersetzung mit ihrer Tochter, die sie Diebin nannte, als hätte sie das Geld aus ihrer eigenen Tasche gestohlen.
    »He, Mama, das langt, nicht wahr?« sagte Olympe ungeduldig. »Es geht ja bestimmt nicht aus Eurem Säckel … Ich leihe bisher nur das Geld, ich lasse mich nicht ernähren.«
    »Was willst du damit sagen, du Aas?« stammelte Frau Faujas aufs höchste erbittert. »Bezahlen wir unsere Mahlzeiten etwa nicht? Frage doch die Köchin, sie wird dir unser Rechnungsbuch zeigen.«
    Olympe brach in schallendes Gelächter aus.
    »Ah, sehr hübsch!« erwiderte sie. »Ich kenne das Rechnungsbuch. Ihr bezahlt die Radieschen und die Butter, nicht wahr? – Hört, Mama, bleibt im Erdgeschoß; ich werde Euch dort nicht stören. Aber kommt nicht mehr herauf, um mich zu belästigen, oder ich schreie. Ihr wißt, Ovide hat verboten, daß Lärm gemacht wird.«
    Murrend ging Frau Faujas wieder nach unten. Diese Drohung mit einem Spektakel zwang sie, den Rückzug anzutreten. Um sich lustig zu machen, trällerte Olympe hinter ihrem Rücken vor sich hin. Aber wenn sie in den Garten ging, rächte sich die Mutter, blieb ihr unaufhörlich auf den Fersen, sah ihr auf die Hände, belauerte sie. Sie duldete sie weder in der Küche noch im Wohnzimmer. Sie hatte sie mit Rose wegen eines geliehenen und nicht zurückgegebenen Topfes verfeindet. Aus Furcht vor irgendeinem ärgerlichen Auftritt, unter dem der Abbé gelitten hätte, wagte sie indessen nicht, sie in ihrer Freundschaft zu Marthe anzugreifen.
    »Da du so wenig um deine Interessen besorgt bist«, sagte sie eines Tages zu ihrem Sohn, »werde ich sie an deiner Stelle gut zu verteidigen wissen; hab keine Angst, ich werde vorsichtig sein … Siehst du, wenn ich nicht da wäre, würde dir deine Schwester das Brot wieder aus den Händen reißen.«
    Marthe hatte keine Ahnung von dem Drama, zu dem sich rings um sie der Knoten schürzte. Das Haus kam ihr lediglich geräuschvoll vor, seit alle Welt die Diele, die Treppe, die Flure erfüllte. Man hätte meinen können, das sei der Spektakel einer Pension mit dem unterdrückten Lärm von Streitigkeiten, schlagenden Türen, dem ungezwungenen und persönlichen Leben jedes Mieters, der flammenden Küche, in der Rose eine ganze Wirtshaustafel abzufertigen zu haben schien. Dann gab es einen ständigen Aufzug von Lieferanten. Olympe, die sich die Hände pflegte und kein Geschirr mehr abwaschen wollte, ließ sich alles aus der Stadt bringen, von einem Pastetenbäcker in der Rue de la Banne, der Mahlzeiten für Plassans zubereitete. Und Marthe lächelte, gab sich für glücklich aus über diesen Schwung im Haus; sie blieb nicht mehr gern allein, hatte das Bedürfnis, das Fieber zu beschäftigen, von dem sie verbrannt wurde.
    Um diesem Heidenlärm gleichsam zu entfliehen, schloß sich Mouret in dem Zimmer im ersten Stock ein, das er sein Büro nannte. Er hatte seinen Widerwillen gegen die Einsamkeit besiegt; er ging fast nicht mehr in den Garten hinunter, war oft vom Morgen bis zum Abend verschwunden. »Ich möchte bloß wissen, was er da drin machen mag«, sagte Rose zu Frau Faujas. »Man hört nicht, daß er sich rührt. Man möchte ihn für tot halten. Wenn er sich versteckt, so doch, weil er nichts Anständiges zu tun hat, nicht wahr?«
    Als der

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