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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Sommer kam, ging es im Haus noch munterer zu. Hinten im Garten unter dem Laubengang empfing Abbé Faujas die Gesellschaften der Unterpräfektur und des Präsidenten. Rose hatte auf Marthes Anweisung ein Dutzend Gartenstühle gekauft, damit man die Kühle genießen konnte, ohne immer die Sitzgelegenheiten aus dem Wohnzimmer herauszuräumen. Es war zur Gewohnheit geworden. Jeden Dienstag blieben die Pforten zur Sackgasse den Nachmittag über offen. Als Nachbarn, mit Strohhüten auf dem Kopf, mit Pantoffeln an den Füßen, mit aufgeknöpften Gehröcken, mit aufgesteckten Röcken, kamen die Damen und Herren, um den Herrn Pfarrer zu begrüßen. Die Besucher trafen einer nach dem anderen ein; schließlich waren die beiden Gesellschaften dann vollzählig beisammen, durcheinandergewürfelt und vermischt, waren lustig, klatschten mit der größten Vertraulichkeit.
    »Fürchten Sie nicht«, sagte Herr de Bourdeu eines Tages zu Herrn Rastoil, »daß diese Begegnungen mit der Sippschaft von der Unterpräfektur schlecht ausgelegt werden? – Die allgemeinen Wahlen rücken näher.«
    »Warum sollten sie schlecht ausgelegt werden?« erwiderte Herr Rastoil. »Wir gehen nicht zur Unterpräfektur, wir befinden uns auf neutralem Gebiet … Und dann, mein lieber Freund, gibt es dabei keinerlei Förmlichkeiten. Ich behalte meine Leinenjacke an. Das ist Privatleben. Niemand hat das Recht, darüber zu urteilen, was ich auf der Rückseite meines Hauses tue … Auf der Vorderseite ist es etwas anderes; auf der Vorderseite gehören wir zur Öffentlichkeit … Auf der Straße grüßen wir uns nicht einmal, Herr Péqueur und ich.«
    »Herr Péqueur des Saulaies ist ein Mensch, der bei näherer Bekanntschaft sehr gewinnt«, wagte der ehemalige Präfekt nach einem Schweigen einzuwerfen.
    »Ohne Zweifel«, erwiderte der Präsident, »ich bin entzückt, seine Bekanntschaft gemacht zu haben … Und was für ein ehrenwerter Mann ist der Abbé Faujas! – Nein, wahrlich, ich fürchte die üblichen Nachreden nicht, wenn ich unseren vortrefflichen Nachbar begrüßen gehe.«
    Seit von den allgemeinen Wahlen die Rede war, wurde Herr de Bourdeu unruhig; er sagte, die ersten heißen Tage strengten ihn sehr an. Oft hatte er Bedenken, er bekundete vor Herrn Rastoil Zweifel, damit dieser ihn beruhigte. Übrigens schnitt man in Mourets Garten nie politische Themen an. Nachdem Herr de Bourdeu eines Nachmittags vergeblich einen Übergang gesucht hatte, rief er, sich an Doktor Porquier wendend:
    »Sagen Sie mal, Doktor, haben Sie heute morgen den ›Moniteur33‹ gelesen? Der Marquis hat endlich geredet; er hat dreizehn Worte gesagt, ich habe sie gezählt … Der arme Lagrifoul! Er hat einen wahnsinnigen Lacherfolg gehabt!«
    Abbé Faujas hatte mit schlauer Biedermannsmiene einen Finger gehoben.
    »Keine Politik, meine Herren, keine Politik!« murmelte er.
    Herr Péqueur des Saulaies plauderte mit Herrn Rastoil; sie taten beide so, als hätten sie nichts gehört. Frau de Condamin lächelte. Sie sprach weiter und wandte sich an Abbé Surin:
    »Nicht wahr, Herr Abbé, Ihre Chorhemden werden mit einer sehr schwachen Gummilösung gestärkt?«
    »Ja, Madame, mit Gummilösung«, antwortete der junge Priester. »Es gibt Wäscherinnen, die gekochte Stärke benutzen; aber das schadet dem Musselin, das taugt nichts.«
    »Nun ja«, fuhr die junge Frau fort, »ich kann es bei meiner Wäscherin nicht erreichen, daß sie für meine Röcke Gummi verwendet.«
    Da schrieb ihr Abbé Surin auf die Rückseite seiner Visitenkarte entgegenkommenderweise Namen und Anschrift seiner Wäscherin. So plauderte man von Toiletten, vom Wetter, von der Ernte, von den Ereignissen der Woche. Man verbrachte dabei eine reizende Stunde. Federballspiele in der Sackgasse unterbrachen die Gespräche. Abbé Bourrette kam sehr oft, erzählte mit seiner entzückten Miene Heiligengeschichtchen, die Herr Maffre bis zum Ende anhörte. Ein einziges Mal war Frau Delangre mit Frau Rastoil zusammengetroffen, beide waren sehr höflich, sehr förmlich, während ihre glanzlosen Augen die jähe Flamme ihrer alten Rivalität behielten. Herr Delangre ging nicht aus sich heraus. Was die Paloques anbelangt, so vermieden sie es, wenn sie auch noch immer die Unterpräfektur besuchten, sich dort einzufinden, wenn Herr Péqueur des Saulaies mit Abbé Faujas nachbarlichen Verkehr pflegte; die Richtersfrau war ratlos seit ihrem verunglückten Unternehmen im Betzimmer des Marienwerkes. Wer sich aber am eifrigsten sehen ließ,

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