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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ruhig«, sagte sie zu ihm. »Schlafe, du hast es nötig.« Und sich zu ihrem Bruder umwendend, fuhr sie fort: »Es ist ein Uhr, du kannst uns schlafen lassen, wenn du uns nur unangenehme Dinge zu sagen hast … Es war nicht recht von meinem Mann, sich zu besaufen, das stimmt; aber das ist kein Grund, ihn schlecht zu behandeln … Wir haben bereits mehrere Auseinandersetzungen gehabt; diese muß die letzte sein, verstehst du, Ovide? – Wir sind Bruder und Schwester, nicht wahr? Nun ja! Ich habe dir gesagt, wir sollten teilen … Du machst es dir unten bequem; du läßt dir leckere Gerichtchen zubereiten, du lebst wie ein Glückseliger zwischen der Hausbesitzerin und der Köchin. Das ist deine Sache. Wir werden weder auf deinen Teller schauen noch dir die Bissen vom Munde wegnehmen. Wir lassen dich dein Schiffchen steuern, wie du es willst. Aber dann belästige uns nicht, gestehe uns die gleiche Freiheit zu … Mir scheint, ich bin sehr vernünftig …« Und als der Priester eine Handbewegung machte, fuhr sie fort: »Ja, ich verstehe, du hast immer noch Angst, wir können deine Geschäfte verderben … Ärgere uns nicht, das ist die beste Art, uns zu veranlassen, deine Geschäfte nicht zu verderben. Wie lange wirst du noch wiederholen: ›Ach, wenn ich Bescheid gewußt hätte, hätte ich euch gelassen, wo ihr wart!‹ Sieh mal! Du bist trotz deines großartigen Auftretens nicht stark, Wir haben dieselben Interessen wie du. Wir sind wie eine Familie, wir können es gemeinsam zu etwas bringen. Das ginge ganz nett, wenn du nur wolltest … Geh schlafen. Ich werde morgen mit Trouche schimpfen, ich werde ihn zu dir schicken, du kannst ihm deine Anweisungen geben.«
    »Zweifellos«, murmelte der Betrunkene, der eben einschlief. »Faujas ist ulkig … Ich will die Hausbesitzerin nicht haben, ihre Taler sind mir lieber.«
    Da fing Olympe an frech zu lachen und sah ihren Bruder dabei an. Sie war wieder ins Bett gegangen, legte sich bequem zurecht, indem sie sich ein Kissen in den Rücken stopfte.
    Der Priester, der ein wenig blaß geworden war, überlegte; dann ging er, ohne ein Wort zu sagen, während sie wieder ihren Roman zur Hand nahm und Trouche auf dem Kanapee schnarchte.
    Am nächsten Tage hatte Trouche, der wieder nüchtern war, eine lange Unterredung mit Abbé Faujas. Als er zu seiner Frau zurückkam, teilte er ihr mit, unter welchen Bedingungen der Frieden geschlossen wurde.
    »Hör zu, mein Lieber«, sagte sie zu ihm, »stelle ihn zufrieden, tu alles, was er verlangt, trachte vor allem, ihm nützlich zu sein, da er dir ja die Mittel dazu gibt … Wenn er da ist, setze ich eine tapfere Miene auf; aber im Grunde weiß ich, daß er uns wie Hunde auf die Straße setzen wurde, wenn wir ihn zum Äußersten trieben. Und ich will nicht fort … Bist du sicher, daß er uns behalten wird?«
    »Ja, fürchte nichts«, erwiderte der Angestellte. »Er braucht mich, er wird zulassen, daß wir unser Schäfchen ins trockene bringen.«
    Von diesem Augenblick an ging Trouche jeden Abend gegen neun Uhr aus, wenn die Straßen menschenleer waren. Er erzählte seiner Frau, er gehe in die Altstadt, um Propaganda für den Abbé zu machen. Olympe war übrigens nicht eifersüchtig; sie lachte, wenn er ihr irgendeine gewagte Geschichte berichtete; sie zog die einsamen Naschereien vor, die allein getrunkenen Gläschen, die heimlich gegessenen Kuchen, die langen Abende, die sie warm im Bett verbrachte, um den alten Bestand einer Leihbibliothek zu verschlingen, die sie in der Rue Canquoin entdeckt hatte. Trouche kam angemessen berauscht nach Hause; er zog seine Schuhe in der Diele aus, um die Treppe geräuschlos hinaufzugehen. Wenn er zuviel getrunken hatte, wenn er nach Tabaksqualm und Branntwein stank, wollte ihn seine Frau nicht neben sich haben; sie zwang ihn, auf dem Kanapee zu schlafen. Es gab dann einen dumpfen, stillen Kampf. Er kam mit dem Eigensinn eines Betrunkenen wieder zurück, klammerte sich an die Decken; aber er schwankte, rutschte aus, fiel auf die Hände, und sie walzte ihn schließlich wie einen Klumpen fort. Begann er zu schreien, druckte sie ihm die Kehle zu, starrte ihn an und flüsterte:
    »Ovide hört dich, Ovide wird gleich kommen.«
    Da bekam er Angst wie ein Kind, dem man vom schwarzen Mann erzählt; Entschuldigungen nuschelnd, schlief er dann ein. Im übrigen machte er gleich bei Sonnenaufgang seine Toilette wie ein ernsthafter Mensch, wischte die Schandmale der Nacht von seinem bläulich geäderten Gesicht, band eine

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