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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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das war bestimmt Herr de Condamin, der stets wundervolle Handschuhe anhatte und lediglich hinkam, um sich über die Leute lustig zu machen, Lügen erzählte, mit einer außerordentlichen Dreistigkeit Zoten wagte, sich die ganze Woche über die Intrigen amüsierte, die er gewittert hatte. Dieser hochgewachsene Greis, der sich in seinem auf Taille gearbeiteten Gehrock so kerzengerade hielt, hegte eine Leidenschaft für die Jugend, er machte sich über die »Alten« lustig, sonderte sich mit den Fräulein von der Gruppe ab, prustete in den Ecken los vor Lachen.
    »Hier lang, Kinder!« sagte er mit einem Lächeln. »Lassen wir die Alten beisammen.«
    Eines Tages hätte er Abbé Surin in einem fürchterlichen Federballspiel beinahe geschlagen. Die Wahrheit war, daß er all diese jungen Leute neckte. Vor allem hatte er sich den jungen Rastoil zum Opfer auserkoren, einen unschuldigen Jungen, dem er ungeheuerliche Dinge erzählte. Schließlich beschuldigte er ihn, seiner Frau den Hof zu machen, und er rollte schrecklich mit den Augen, was bei dem unglücklichen Séverin den Angstschweiß ausbrechen ließ. Das schlimmste war, daß dieser tatsächlich glaubte, er sei in Frau de Condamin verliebt, vor der er sich mit gerührter und erschreckter Miene aufpflanzte, worüber sich der Gatte köstlich amüsierte.
    Die beiden Fräulein Rastoil, zu denen sich der Oberforstmeister galant wie ein junger Witwer zeigte, waren ebenso Gegenstand seiner grausamsten Scherze. Obgleich sie auf die Dreißig gingen, trieb er sie zu Kinderspielen, sprach mit ihnen wie mit Pensionatstöchtern. Es war ein Heidenspaß für ihn, sie zu mustern, wenn Lucien Delangre da war, der Sohn des Bürgermeisters. Er nahm Doktor Porquier beiseite, einen Mann, dem man alles sagen konnte, und flüsterte ihm, auf Herrn Delangres früheres Verhältnis mit Frau Rastoil anspielend, ins Ohr:
    »Sagen Sie mal, Porquier, da ist der Bursche hübsch in Verlegenheit … Ist nun Angéline von Delangre oder Aurélie? – Rate, wenn du kannst, und wähle, wenn du es wagst.«
    Abbé Faujas war indessen zu allen Besuchern liebenswürdig, sogar zu diesem schrecklichen, so beunruhigenden Condamin. Er trat möglichst beiseite, sprach wenig, ließ die beiden Gesellschaften sich verschmelzen, schien nur die verschwiegene Freude eines Hausherrn zu empfinden, der glücklich ist, ein Bindeglied zwischen vornehmen Personen zu sein, die dazu geschaffen sind, einander zu verstehen. Marthe hatte zweimal geglaubt, sich zeigen zu müssen, damit die Besucher jede Gezwungenheit ablegten. Aber sie litt darunter, den Abbé mitten unter all diesen Leuten zu sehen; sie wartete, bis er allein war; sie mochte ihn lieber, wenn er ernst war und langsam unter dem Frieden des Laubenganges dahinschritt. Die Trouches nahmen dienstags ihr neidisches Herumspionieren hinter den Vorhängen wieder auf, während Frau Faujas und Rose aus dem Hintergrund der Diele die Köpfe vorreckten und mit Entzücken bewunderten, wie huldvoll der Pfarrer die angesehensten Leute von Plassans empfing.
    »Das kann ich Ihnen sagen, Madame«, sagte die Köchin, »man sieht doch gleich, daß er ein vornehmer Mann ist … Sehen Sie, da begrüßt er den Unterpräfekten. Ich mag den Herrn Pfarrer lieber, obwohl der Unterpräfekt ein hübscher Mann ist … Warum gehen Sie denn nicht in den Garten? Ich an Ihrer Stelle würde ein seidenes Kleid anziehen und hingehen. Sie sind schließlich seine Mutter.«
    Aber die alte Bäuerin zuckte die Achseln.
    »Er schämt sich meiner nicht«, erwiderte sie, »aber ich hätte Angst, ihn zu stören … Ich schaue ihm lieber von hier aus zu. Das macht mir mehr Vergnügen.«
    »Oh! Ich verstehe das. Sie müssen sehr stolz sein! – Das ist nicht wie bei Herrn Mouret, der die Pforte vernagelt hatte, damit niemand hereinkam. Niemals Besuch, niemals ein Diner zuzubereiten, der Garten abends so leer, daß man Angst kriegen konnte. Wir lebten wie Wölfe. Es stimmt, Herr Mouret hätte nicht verstanden, Gäste zu empfangen; er machte vielleicht ein Gesicht, wenn zufällig jemand kam … Ich frage Sie allerdings, ob er sich an dem Herrn Pfarrer nicht ein Beispiel nehmen sollte. Anstatt mich einzuschließen, würde ich in den Garten hinuntergehen, würde mich mit den anderen vergnügen; ich würde meine Stellung wahren, kurzum … Nein, er ist da oben versteckt, als ob er fürchte, er würde sich die Krätze holen … Was ich noch sagen wollte, sollen wir hinaufgehen, um mal zu sehen, was er da oben macht?«
    An

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