Die Eroberung von Plassans - 4
fragte sie. »Sie werden mir sicher nicht vorhalten, daß Sie meine arme Marthe aus Les Tulettes zurückgebracht haben … Im übrigen sage ich Ihnen das noch einmal, das sieht mir alles hier sehr verdächtig aus. Ich habe Rose ausgefragt, anscheinend haben Sie den Gedanken gehabt, direkt hierherzukommen … Ich wundere mich auch darüber, daß Sie in der Rue Balande nicht stärker geklopft haben; man hätte Ihnen aufgemacht … Nicht daß ich böse bin, das liebe Kind bei mir zu haben; sie wird wenigstens im Kreise der Ihren sterben; sie wird nur Gesichter von Freunden um sich haben.«
Der Onkel schien sehr überrascht; er unterbrach sie mit besorgter Miene:
»Ich glaubte, Sie stehen sich bestens mit Abbé Faujas?« Sie antwortete nicht, sie trat zu Marthe, deren Atem schmerzhafter wurde. Als sie zurückkam, sah sie, wie Macquart den Vorhang hochhob, als blicke er fragend in die Nacht hinaus, während er mit der Hand die feuchte Scheibe abrieb.
»Fahren Sie morgen nicht ab, ehe Sie mit mir gesprochen haben«, schärfte sie ihm ein. »Ich will in alledem hier Klarheit schaffen.«
»Wie Sie wünschen«, erwiderte er. »Es ist wirklich schwierig, Ihnen Freude zu machen. Sie mögen die Leute, dann mögen Sie sie nicht mehr … Ich pfeife drauf; ich gehe meinen eigenen Weg.« Er war offenbar sehr verärgert, zu erfahren, daß die Rougons nicht mehr mit Abbé Faujas gemeinsame Sache machten. Er klopfte mit den Fingerspitzen gegen die Fensterscheibe, ohne die schwarze Nacht aus den Augen zu lassen.
In diesem Augenblick rötete ein großer Lichtschein den Himmel.
»Was ist denn das?« fragte Félicité.
Er öffnete das Fenster, schaute hinaus.
»Man möchte meinen, das ist eine Feuersbrunst«, murmelte er in friedfertigem Ton. »Es brennt hinter der Unterpräfektur.«
Der Platz wurde plötzlich von Lärm erfüllt. Ein Diener kam ganz verstört herein und erzählte, bei der Tochter von Madame sei soeben Feuer ausgebrochen. Man glaube, Madames Schwiegersohn, jenen, den man hatte einsperren müssen, gesehen zu haben, wie er mit einem brennenden Stück Rebholz im Garten herumrannte. Das schlimmste sei, daß man die Hoffnung aufgegeben habe, die Mieter zu retten.
Félicité wandte sich rasch um, überlegte noch eine Minute, die Augen starr auf Macquart gerichtet. Endlich begriff sie.
»Sie hatten uns ausdrücklich versprochen«, sagte sie mit leiserer Stimme, »sich ruhig zu verhalten, als wir Sie in Ihrem Häuschen in Les Tulettes einrichteten. Es fehlt Ihnen doch nichts, Sie leben dort wie ein richtiger Rentier … Das ist schändlich, verstehen Sie … Wieviel hat Ihnen Abbé Fenil gegeben, damit Sie François herauslassen?«
Er wurde böse, aber sie hieß ihn schweigen. Sie schien über die Folgen der Angelegenheit viel besorgter zu sein, als sie über das Verbrechen selber entrüstet war.
»Und was für ein gräßlicher Skandal, wenn man es zufällig herausbekäme?« murmelte sie noch. »Haben wir Ihnen jemals etwas verweigert? Wir werden uns morgen unterhalten, wir werden noch einmal über das Feld sprechen, mit dem Sie uns in den Ohren liegen … Wenn Rougon so etwas erführe, würde er vor Kummer darüber sterben.«
Der Onkel konnte nicht umhin zu lächeln. Er verteidigte sich heftiger, schwur, daß er nichts wisse, daß er seine Hände bei nichts im Spiel gehabt habe. Als dann der Himmel noch mehr entbrannte und Doktor Porquier bereits hinuntergegangen war, verließ der Onkel das Zimmer, wobei er es eilig zu haben schien wie ein Neugieriger, und sagte: »Ich gehe nachsehen.«
Herr Péqueur des Saulaies hatte Alarm geschlagen. In der Unterpräfektur war Abendgesellschaft gewesen. Er wollte sich gerade zu Bett legen, da gewahrte er ein paar Minuten vor ein Uhr einen seltsamen roten Widerschein an der Decke seines Zimmers. Nachdem er ans Fenster getreten war, blieb er sehr überrascht stehen, als er sah, daß in Mourets Garten ein Feuer brannte, während ein Schatten, den er zunächst nicht erkannte, inmitten des Rauches tanzte und ein angezündetes Stück Rebholz schwenkte. Fast unmittelbar darauf schlugen Flammen aus allen. Öffnungen im Erdgeschoß. Der Unterpräfekt zog schleunigst seine Hosen wieder an; er rief seinen Diener, schickte seinen Pförtner zur Feuerwehr und zu den Behörden. Ehe er sich dann an die Unglücksstätte begab, kleidete er sich vollends an, vergewisserte sich vor einem Spiegel, ob auch sein Schnurrbart tadellos gezwirbelt war. Er kam als erster in der Rue Balande an. Die Straße
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