Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
wegen des Kindes tun, haben Sie sehr unrecht. Der Herr Pfarrer wollte nicht, daß er aufs Seminar geht; er hat ihm darüber oft die Leviten gelesen; ich habe es gehört … Ah! Hier im Hause geht˜s jetzt fröhlich zu; Sie reden sogar mit Ihrer Frau nicht mehr; wenn Sie sich zu Tisch setzen, möchte man glauben, man sei bei einer Beerdigung … Ich kriege es allmählich satt, Herr Mouret.«
    Mouret verließ das Zimmer, aber die Köchin lief ihm in den Garten nach.
    »Sollten Sie nicht glücklich sein, daß das Kind wieder auf den Beinen ist? Gestern hat er ein Kotelett gegessen, der liebe Engel, und überdies mit gutem Appetit … Das ist Ihnen ganz gleich, nicht wahr? Sie wollten aus ihm einen Heiden wie Sie machen … Ich sage Ihnen, Sie haben Gebete nur allzu nötig; der liebe Gott will unser aller Heil. An Ihrer Stelle würde ich vor Freude weinen, wenn ich daran dächte, daß das arme Herzchen für mich beten wird. Aber Sie, Herr Mouret, Sie sind aus Stein … Und wie nett der Kleine in der Soutane aussehen wird!«
    Da ging Mouret in den ersten Stock hinauf. Dort schloß er sich in ein Zimmer ein, das er als sein Büro bezeichnete, ein großer, kahler Raum, der mit einem Tisch und zwei Stühlen ausgestattet war. Dieser Raum wurde in den Stunden, da ihm die Köchin zusetzte, sein Zufluchtsort. Er langweilte sich dort, stieg wieder in den Garten hinunter, den er mit noch größerer Sorgfalt bestellte. Marthe schien nicht zu merken, daß ihr Mann schmollte; er blieb zuweilen eine Woche schweigsam, ohne daß sie sich beunruhigte oder ärgerte. Sie löste sich jeden Tag mehr von dem, was sie umgab; so friedlich kam ihr das Haus vor, wenn sie die zänkische Stimme Mourets nicht mehr zu jeder Stunde hörte, daß sie sogar glaubte, er sei vernünftig geworden, er habe sich wie sie einen Glückswinkel eingerichtet. Das beruhigte sie, gab ihr das Recht, sich weiter in ihren Traum zu versenken. Wenn er sie mit verwirrtem Blick ansah und sie nicht mehr wiedererkannte, lächelte sie ihm zu; sie sah nicht die Tränen, die ihm die Lider schwellten.
    An dem Tag, da Serge, der nun völlig genesen war, aufs Priesterseminar ging, blieb Mouret mit Désirée allein zu Hause. Er behütete sie jetzt oft. Dieses große Kind, das bald sechzehn wurde, hätte wie eine Göre von sechs Jahren in das Wasserbecken fallen oder beim Spielen mit Streichhölzern das Haus in Brand stecken können. Als Marthe zurückkehrte, fand sie die Türen offen, das Zimmer leer. Das Haus kam ihr ganz entblößt vor. Sie ging auf die Terrasse hinunter und gewahrte hinten auf einem Gartenweg ihren Mann, der mit dem Mädchen spielte. Er saß auf der Erde im Sand; mit einer kleinen Holzschippe schaufelte er ernsthaft ein Wägelchen voll, das Désirée an einer Schnur hielt.
    »Hü! Hü!« rief das Kind.
    »Aber warte doch«, sagte der gute Mann geduldig. »Er ist nicht voll … Da du das Pferd spielen willst, mußt du warten, bis er voll ist.«
    Da stampfte sie mit den Füßen und machte ein Pferd nach, das ungeduldig wird; dann konnte sie nicht mehr auf dem Fleck stehenbleiben und fuhr mit schallendem Lachen los. Der Wagen hüpfte und verschüttete alles. Als sie rund durch den Garten gerannt war, kam sie zurück und rief:
    »Schaufel ihn voll, schaufel ihn noch mal voll!«
    Mouret schaufelte ihn mit der kleinen Schippe wieder voll.
    Marthe war auf der Terrasse stehengeblieben, schaute bewegt mit einem Gefühl des Unbehagens zu; diese offenen Türen, dieser Mann, der im Hintergrund des leeren Hauses mit dem Kind spielte, stimmten sie traurig, ohne daß sie sich dessen, was in ihr vorging, klar bewußt geworden wäre. Sie ging nach oben, um sich umzuziehen, und hörte dabei, wie Rose, die ebenfalls nach Hause gekommen war, auf der Freitreppe sagte:
    »Mein Gott! Wie albern der Herr ist!«
    Dem Ausspruch seiner Freunde vom Cours Sauvaire zufolge, der kleinen Rentiers31, mit denen er alle Tage seinen Spaziergang machte, war Mouret »angeschlagen«. Seine Haare waren binnen einiger Monate ergraut, seine Beine wurden schlapp, er war nicht mehr der schreckliche Spötter, den die ganze Stadt fürchtete. Man glaubte eine Weile, er habe sich in gewagte Spekulationen eingelassen und wanke unter irgendeinem großen Geldverlust.
    Frau Paloque, die sich mit den Ellbogen am Fenster ihres Wohnzimmers aufstützte, das zur Rue Balande hinausging, sagte sogar jedesmal, wenn sie ihn fortgehen sah, um ihn stünde es schlimm. Und wenn Abbé Faujas einige Minuten später die Straße

Weitere Kostenlose Bücher