Die Eroberung von Plassans - 4
sein … Ich sage, daß er dazu neigt, das ist alles. Er hat Beziehungen zu Herrn Delangre gehabt.«
»Aber Sie auch!« rief Séverin. »Sie haben auch Beziehungen zu Herrn Delangre gehabt! Unter gewissen Umständen ist man dazu wohl gezwungen … Sagen Sie, daß Sie Abbé Faujas nicht leiden können, das ist besser.«
Und ganze Tage hindurch schmollte im Hause Rastoil jeder mit jedem. Abbé Fenil kam nur noch selten dorthin, sagte, er sei durch die Gicht bei sich zu Hause festgenagelt. Nachdem er zweimal dazu angehalten worden war, sich über den Pfarrer von Saint Saturnin zu äußern, hatte er ihn übrigens mit einigen kurzen Worten gelobt. Abbé Surin und Abbé Bourrette sowie Herr Maffre waren immer der gleichen Meinung wie die Hausherrin. Die Opposition rührte also einzig und allein vom Präsidenten her, der durch Herrn de Bourdeu unterstützt wurde, und beide erklärten ernst, sie könnten ihre politische Stellung nicht dadurch gefährden, daß sie einen Mann bei sich empfingen, der seine Meinungen verberge.
Da kam Séverin zum Schabernack darauf, an der kleinen Pforte der ChevilottesSackgasse zu klopfen, wenn er dem Priester irgendwas sagen wollte. Nach und nach wurde die Sackgasse neutrales Gebiet. Ohne Unterschied kamen Doktor Porquier, der sich dieses Weges als erster bedient hatte, der junge Delangre und der Friedensrichter hierher, um mit Abbé Faujas zu plaudern. Manchmal blieben die Pforten der beiden Gärten sowie die Toreinfahrt der Unterpräfektur einen ganzen Nachmittag lang weit offenstehen. Der Abbé war dort, lehnte sich hinten in der Sackgasse gegen die Mauer, lächelte, drückte Leuten aus beiden Gesellschaften, die ihn gerne begrüßen wollten, die Hand. Aber Herr Péqueur des Saulaies stellte sich so, als wollte er keinen Fuß aus dem Garten der Unterpräfektur setzen, während Herr Rastoil und Herr de Bourdeu, die sich ebenfalls darauf versteiften, sich in der Sackgasse nicht sehen zu lassen, unter den Bäumen vor dem Wasserfall sitzen blieben. Selten fiel der kleine Hofstaat des Priesters in den Laubengang der Mourets ein. Nur von Zeit zu Zeit streckte sich ein Kopf vor, warf einen Blick hinein, verschwand.
Im übrigen tat sich Abbé Faujas gar keinen Zwang an. Er überwachte nur besorgt das Fenster der Trouches, hinter dem Olympes Augen zu jeder Stunde leuchteten. Die Trouches lagen dort hinter den roten Vorhängen auf der Lauer, von einem rasenden Gelüst gequält, auch hinuntergehen zu können und von den Früchten zu kosten und mit der guten Gesellschaft zu plaudern. Sie klappten die Jalousien hoch, stützten sich einen Augenblick mit den Ellenbogen auf, zogen sich unter dem bezwingenden Blick des Priesters wütend zurück; dann schlichen sie wie Wölfe wieder heran, hefteten ihre bleichen Gesichter an eine Ecke der Fensterscheiben, belauerten jede seiner Bewegungen, waren gemartert, wenn sie sahen, wie er so nach Belieben dieses Paradies genoß, das er ihnen verbot.
»Das ist zu dumm«, sagte Olympe eines Tages zu ihrem Mann, »wenn er könnte, würde er uns in einen Schrank stecken, um das ganze Vergnügen für sich zu behalten … Wenn du willst, gehen wir hinunter. Wir werden ja sehen, was er sagt.«
Trouche war eben aus seinem Büro nach Hause gekommen. Er wechselte den Kragen, stäubte seine Schuhe ab, wollte ganz und gar gut aussehen. Olympe zog ein helles Kleid an. Dann gingen sie tapfer in den Garten hinunter, liefen mit kleinen Schritten an den hohen Buchsbaumbüschen entlang, blieben vor den Blumen stehen. Abbé Faujas wandte gerade den Rücken und plauderte mit Herrn Maffre auf der Schwelle der kleinen Pforte zur Sackgasse. Als er den Sand knirschen hörte, waren die Trouches hinter ihm unter dem Laubengang. Er drehte sich um, hielt mitten in einem Satz unvermittelt inne, höchst verdutzt, sie dort zu entdecken. Herr Maffre, der sie nicht kannte, sah sie neugierig an.
»Sehr hübsches Wetter, nicht wahr, meine Herren?« sagte Olympe, die unter dem Blick ihres Bruders erblaßt war.
Der Abbé zog den Friedensrichter barsch auf die Sackgasse hinaus, um ihn loszuwerden.
»Er ist wütend«, flüsterte Olympe. »Da ist ihm eben nicht zu helfen! Wir müssen hierbleiben. Wenn wir wieder hinaufgehen, glaubt er, wir hätten Angst … Ich habe es satt. Du wirst sehen, wie ich mit ihm sprechen werde.«
Und sie veranlaßte ihren Mann, sich auf einen der Stühle zu setzen, die Rose einige Augenblicke zuvor hergebracht hatte.
Als der Abbé zurückkam, sah er sie beide ruhig
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